Demokratie in Unternehmen – geht das?

Demokratie in Unternehmen – geht das?

Warum Demokratie im patriarchalen Kontext nur ein schöner Schein ist

Demokratie in Unternehmen ist gerade ein sehr angesagtes Thema – zumindest in der stetig wachsenden New Work Bewegung. Es gibt Firmen, die bereits demokratische Ansätze eingeführt haben, z.B. dass die Geschäftsführung regelmäßig von der Belegschaft gewählt wird. Bei vielen Treffen und Events wird immer wieder die Frage gestellt: „Ist Demokratie in Unternehmen möglich und ist sie sinnvoll?“. Eine sehr interessante Frage, die ich heute einmal von einer anderen Seite beleuchten möchte.

Meine ganz persönliche Meinung zu dem Thema ist folgende:

Es braucht einen bestimmten Kontext, damit Demokratie wirklich funktionieren kann. Demokratie kann nur auf einem Kontext von erwachsener, hoher oder radikaler Verantwortung gedeihen.Und der Kontext, in dem wir uns gerade immer noch befinden, das Patriarchat, ist alles andere als verantwortlich. Demokratie im patriarchalen Kontext birgt immer die Gefahr, dass sie im patriarchalen Sinne – also unverantwortlich – benutzt wird. Die Beteiligten fühlen sich dann zwar vielleicht etwas besser, aber die Resultate ändern sich nicht.

Typische Kennzeichen des Patriarchats (Vaterherrschaft bzw. Herrschaft des männlichen Prinzips) sind zum Beispiel:

  •  Verherrlichung des männlichen Prinzips (Wettkampf, Krieg, Gewinne machen, Verstand herrscht über Gefühl, Tun/Machen ist wichtiger als Sein, Haben ist wichtiger als Sein, Wachstum um jeden Preis, …)
  •  Typische Organisationsform: Hierarchische Pyramidenstruktur mit einer (männlichen) Autoritätsperson (= Oberster Vertreter des männlichen Prinzips) – Motto: „Mache dir die Welt Untertan“
  •  Menschliche Interaktionen überwiegend zwischen Eltern-Rollenspielern (Ausübung von Macht) und Kind-Rollenspielern (Abgabe von Macht) – beide Seiten agieren unverantwortlich
  •  Macht und Ohnmacht – Herrschen und beherrscht werden – Täter und Opfer
  •  Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur für persönliche/egoistische Zwecke, usw.

Das Patriarchat beinhaltet verschiedene Faktoren, die dazu führen, dass Demokratie im patriarchalen Kontext nur oberflächlich funktionieren kann:

Wir leben in einer Welt kindlicher Verantwortung

Wenn wir uns die moderne westliche Welt genauer anschauen, stellen wir fest, dass sich die Masse der Menschen auf einem kindlichen Verantwortungsgrad befindet. Das klingt im ersten Moment vielleicht befremdlich. Was meine ich damit genau? Es gibt unterschiedliche Grade von Verantwortung, die Menschen bereit und fähig sind, zu übernehmen (siehe Grafik). Wenn ein Kind Unordnung macht, denkt es in der Regel nicht darüber nach, wer das Chaos am Ende wieder beseitigt. Meist sind es die Erwachsenen, die dann aufräumen müssen. Übertragen auf unsere Gesellschaft fragen Sie sich doch mal: „Was ist das Chaos, das wir in der Welt erschaffen, ohne darüber nachzudenken, wer es irgendwann wieder aufräumt?“ Denken Sie zum Beispiel an die Umweltverschmutzung, die Benutzung von mit Uran angereicherten Waffen, an genmanipulierte Lebensmittel und Saatgut, an den unbedachten Gebrauch von Plastik oder an unsere Gewohnheit des Kaufens und Wegwerfens, um nur einige Beispiele zu nennen. Irgendjemand wird schon dafür sorgen, dass alles gut geht! Wir haben dabei eigentlich nichts Böses im Sinn, doch die Resultate sind dennoch nicht tragfähig.

Auch unsere Gesellschaftssysteme sind auf ein Spiel zwischen Eltern-Rollenspielern und Kind-Rollenspielern ausgerichtet. In der Kind-Rolle geben wir unsere Autorität und Verantwortung an „Vater Staat“ ab und hoffen, dass er gut für uns sorgt. Oder wir ordnen uns als Angestellter der Autorität von Vorgesetzten bzw. des Unternehmens unter und profitieren von monatlichen Gehaltszahlungen und der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, um uns sicher zu fühlen. Beim Verantwortungsgrad eines Kindes sehen wir uns oft als Opfer der Umstände. Wir glauben, dass wir keine andere Wahl haben.

Übertragen auf das Thema „Demokratie in Unternehmen“ heißt das: Wenn Mitarbeiter auf einem kindlichen Verantwortungsgrad agieren, neigen sie dazu das auch weiterhin zu tun, selbst wenn sie die Möglichkeit haben, ihren Chef demokratisch zu wählen. Dennoch werden sie ihn als Vorgesetzten sehen und versuchen, Entscheidungen, Autorität und Verantwortung an ihn abzugeben.

Das einzige was sich dann verändert, ist die Art und Weise, wie ein Vorgesetzter in seine Position kommt. Der Grad an Verantwortung, den Mitarbeiter übernehmen, verändert sich aber nicht alleine dadurch. Denken Sie einfach mal an unsere Gesellschaft hier in Deutschland – auch wir wählen unsere Repräsentanten/Führungskräfte nach dem demokratischen Prinzip. Am Grad der Verantwortung, die von den einzelnen Bürgern übernommen wird, ändert das allerdings nichts. Wenn es uns schlecht geht, kommt ganz schnell die Aussage: „Die da oben sind schuld!“

Das gewohnte unverantwortliche Spiel zwischen Kind-Rollenspieler und Eltern-Rollenspieler

Das oben genannte Verhalten gehört zu einem weit verbreiteten und sehr beliebten Spiel, welches dazu dient Verantwortung möglichst zu vermeiden. Es findet zwischen zwei sich sehr gut ergänzenden Spielern statt:

Auf der einen Seite (im Bild links) ist der Kind-Rollenspieler, der sein Zentrum und damit seine Autorität an eine vermeintliche Autoritätsperson abgibt. Er verhält sich angepasst und glaubt, dass er dann nicht verantwortlich ist. Er muss keine Entscheidungen treffen und ist auch nicht schuld, wenn etwas schief geht. Die Autoritätsperson kümmert sich um alles. Der Nutzen dieses Verhaltens: es ist überaus bequem! Und der Kind-Rollenspieler fühlt sich sicher.

Auf der anderen Seite des Spielbretts befindet sich eine Autoritätsperson. Es gibt allerdings zwei Arten von Autoritätspersonen. Die erste Art passt sehr gut zum Kind-Rollenspieler, denn sie ist ein Eltern-Rollenspieler und liebt es, wenn sie von angepassten Anhängern umgeben ist. Bei dieser Person handelt es sich um einen unverantwortlichen Anführer, denn sie fühlt sich nur sicher, wenn ihr keiner ihre Macht streitig macht. Sie hält andere klein, um sich selbst groß zu fühlen. Sie ist darauf aus, die Karriereleiter nach oben zu klettern, um möglichst viel Macht ausüben zu können.

Diese Interaktion ist in Unternehmen sehr weit verbreitet und findet meist vollkommen unbewusst statt. Auf der einen Seite Mitarbeiter, die gerne ihre Ruhe haben und kein Risiko eingehen wollen und sich daher gerne angepasst verhalten. Auf der anderen Seite Führungspersonen, die Angst um ihre Position haben und daher versuchen Macht auszuüben, indem sie andere klein halten. Beide übernehmen unbewusst keine Verantwortung!

Verantwortliche Anführer, die ihre Mitarbeiter ermächtigen, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre eigene Kraft, Kreativität und Autorität einzusetzen und die auf Augenhöhe agieren können und wollen, sind noch nicht weit verbreitet.

In Bezug auf das Thema „Demokratie in Unternehmen“ heißt das: Solange noch das alte unverantwortliche Spiel zwischen Kind-Rollenspielern und Eltern-Rollenspielern im Unternehmen läuft, besteht das Risiko, dass Mitarbeiter zwar ihre Vorgesetzten wählen, aber dennoch dasselbe Spiel weiterläuft.

Die typische hierarchische Pyramidenstruktur hält dieses Spiel am Laufen

Die typische Organisationsstruktur des Patriarchats spiegelt sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft wider. Egal ob Wirtschaft, Bildung, Religion, etc. alles basiert auf denselben Paradigmen und Annahmen und ist in der gleichen Struktur aufgebaut – der Pyramidenstruktur.

Zum Beispiel:

Oberster Vertreter des männlichen PrinzipsMittlere Ebene, operative Ausübung von MachtAusführende Masse
NationPräsidentRegierung und deren OrganeVolk
ReligionGott-Vater (der eine männliche Gott)Die weltlichen Vertreter GottesGläubige
Katholische KirchePapstErzbischöfe, Bischöfe, Priester, etc.Katholiken
UnternehmenCEOManagementMitarbeiter
SchuleDirektorLehrerSchüler
etc.

Die Pyramidenstruktur teilt die Mitglieder einer jeden Organisation in zwei Klassen ein: die herrschende Klasse und die beherrschte Klasse. Die Pyramidenstruktur verleiht Macht durch Status und Position, wobei die Menge an Machtpositionen eingeschränkt ist und nach oben hin abnimmt. Dieser im System vorgesehene Mangel an Machtpositionen führt automatisch zu Konkurrenz und Wettkampf, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass gerade Menschen mit psychopatischen Tendenzen (Unverantwortlichkeit, Rücksichtlosigkeit, Machthunger) es ganz nach Oben schaffen. Das kann auch in Demokratien passieren – denken Sie nur an Donald Trump, der vielleicht der nächste gewählte Präsident der Vereinigten Staaten wird.

Vielleicht denken Sie jetzt: „Das ist doch ganz normal“. Genau – das ist die gewohnte Normalität. Die Masse wird geführt von einer Minderheit, welche die Macht besitzt. „Es kann ja nicht nur Häuptlinge geben. Irgendjemand muss ja auch die Arbeit machen.“, „Mitarbeiter wollen geführt werden.“, das sind typische Aussagen, die ich in diesem Zusammenhang immer wieder höre. Dieses Prinzip ist so tief in unseren Zellen eingebrannt, dass es sich nicht einfach dadurch verändert, dass wir auf einmal Demokratie in Unternehmen einführen.

Und wie leicht Macht ihre Inhaber in hierarchischen Pyramidensystemen korrumpiert – auch wenn sie durch demokratische Wahl verliehen wurde – ist uns allen wohl bekannt. Es gibt genügend Beispiele in der Geschichte oder auch in Ihrem persönlichen Umfeld.

Die Voraussetzung, dass Demokratie wirklich funktionieren kann und nicht unbewusst unverantwortlich benutzt wird – egal ob in Unternehmen oder in der Gesellschaft – ist ein hoher Verantwortungsgrad der Mehrzahl aller Beteiligten. Um diesen Zustand zu erreichen, bedarf es eines Transformationsprozesses der beteiligten Personen, der nur auf der persönlichen Ebene jedes einzelnen stattfinden kann, und kann nicht einfach von außen verordnet werden. Und solange dies nicht passiert, besteht immer die Gefahr, dass Demokratie ein schöner Schein bleibt, mit dem man der Masse vorgaukelt „eine Wahl zu haben“, die diese vielleicht noch nicht mal bereit ist, zu nutzen.

Demokratie funktioniert nur mit hoher Selbstverantwortung.

Hierarchische Führung ist Teil eines unverantwortlichen Spiels

Hierarchische Führung ist Teil eines unverantwortlichen Spiels

In einer erwachsenen Arbeitswelt sind Chefs überflüssig

Vorab schon mal eine Warnung: dieser Artikel könnte etwas unbequem werden. Also wenn du es bequem magst, solltest du vielleicht nicht weiterlesen. Vor kurzem las ich einen Blog-Artikel mit dem Titel: „Warum flache Hierarchien nur die Fortsetzung des Holzweges sind“. In dem Artikel plädiert der Autor Niels Pfläging für eine dezentralisierte Organisation statt einer hierarchischen. Soweit so gut. In den Kommentaren zu dem Artikel fand ich dann eine interessante Aussage eines Lesers, der mitteilte, dass er bei der Diskussion mit Führungskräften zu diesem Thema immer wieder als Antwort bekäme, dass Menschen Führung brauchen und damit auch Hierarchie. Dieser Kommentar wiederum erfuhr sehr viel Zustimmung auch von anderen Lesern, die dieselbe Erfahrung gemacht hatten.

Auch ich habe diese These als Führungskräfte-Trainer in Unternehmen lange Zeit vertreten, ohne sie wirklich zu hinterfragen: „Menschen brauchen Führung“. Ist das wirklich so?

Mittlerweile bin ich zu der Ansicht gelangt, dass diese These nicht allgemeingültig ist, sondern nur in einem bestimmten Kontext zutrifft. Es gilt also nicht grundsätzlich „Menschen brauchen Führung“, sondern „Mitarbeiter in hierarchischen Strukturen scheinen Führung zu brauchen“. Im Kontext „Hierarchie“ ist diese These natürlicher Bestandteil des Systems. In einem nicht hierarchischen Kontext hingegen mache ich immer wieder genau die gegenteilige Erfahrung, nämlich dass Menschen keine Führung brauchen, um effektiv zusammenzuarbeiten. Aber wie kann das sein?

Ganz einfach: Hierarchische Systeme bilden die Basis für unverantwortliche und nicht erwachsene zwischenmenschliche Interaktion – sie sind die Grundlage eines unverantwortlichen Spiels, welches dafür sorgt, dass alle Mitspieler nicht erwachsen werden (müssen). Du denkst jetzt vielleicht: „Wie? Nicht erwachsen? Wir sind doch alle erwachsen!“ Naja, das stimmt nicht ganz. Wir sind vielleicht volljährig, aber nicht unbedingt erwachsen. Unsere Gesellschaft, die Art, wie wir aufwachsen und ausgebildet werden, stellt uns einen bewussten Übergang ins verantwortliche Erwachsensein leider nicht zur Verfügung. Und Hierarchie sieht auch gar nicht vor, dass Menschen erwachsen und eigenverantwortlich werden, denn dadurch würde sie sich selbst überflüssig machen! Für diejenigen, die von der Hierarchie profitieren, steht zu viel auf dem Spiel! Und wenn du jetzt denkst, dass nur die Reichen und Mächtigen von diesem Spiel profitieren, dann täuscht du dich gewaltig! Denn wenn wir nicht alle einen großen Nutzen aus diesem Spiel ziehen würden, hätten wir längst aufgehört es zu spielen. Haben wir aber nicht!

Hierarchie ist ein Spiel, bei dem ALLE Beteiligten nicht erwachsen werden (müssen)

Schauen wir uns erst einmal die Mitarbeiterseite an. Wenn Menschen zu mir ins Berufungs-Coaching kommen, dann frage ich sie immer, was sie motiviert zu arbeiten. Und in den meisten Fällen sind die TOP 2 Antworten:

  1. Anerkennung
  2. Sicherheit

Anerkennung und Sicherheit. Kommt dir das bekannt vor? Wenn ich meine Klienten frage, was sie unbedingt brauchen, also nicht was sie sich wünschen, sondern was unabdingbar für sie ist, sind es ebenfalls meist diese beiden Antworten: Anerkennung und Sicherheit. Das ist es, wofür die meisten Menschen arbeiten und wovon sie glauben, dass sie es mehr als alles andere brauchen. Und was ich jetzt sage, könnte wehtun. Wenn das die beiden Dinge sind, für die du arbeitest und von denen du glaubst, dass du sie am meisten brauchst, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du den Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein noch nicht vollzogen hast. Denn die eigene Berufung zu leben, was ein Zeichen für verantwortliches Erwachsensein ist, hat weder etwas mit Anerkennung, noch mit Sicherheit zu tun! Wenn das die beiden Dinge sind, für die du arbeitest, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du diesbezüglich noch in einem Kind-Ego-Zustand feststeckst. Und du befindest dich damit wahrscheinlich in bester Gesellschaft. Denn genau das passiert mit uns, wenn wir in der modernen westlichen Welt aufwachsen.

Denn als Kinder sind das genau die zwei Dinge, die wir vor allem anderen brauchen, um zu überleben: Sicherheit und Liebe in Form von Nahrung, Zuwendung, Wärme, Schutz, Zugehörigkeit usw. Ohne diese beiden Faktoren würden wir als Kinder nicht überleben! Deshalb passen wir uns während unserer Kindheit unseren Eltern – den Autoritäten in unserem Leben – so gut wie möglich an und entwickeln allerlei Überlebensmechanismen.

Im Alter von ca. 15 Jahren wären wir dann bereit, erwachsen zu werden und uns unsere Autorität von unseren Eltern zurückzuholen. Wir wären in der Lage, unsere eigene Autorität zu entwickeln und zu radikal verantwortlichen Erwachsenen zu werden, die nicht mehr im Außen nach Anerkennung und vermeintlicher Sicherheit suchen, sondern ihr Leben erfüllt und voller Neugier den unendlichen Möglichkeiten widmen, die jenseits von Sicherheit und Anerkennung auf uns warten. Stattdessen verbleiben wir unbewusst im Kind-Ego-Zustand des Überlebens und suchen weiterhin Halt im Außen – dann eben in Form eines „Ersatz-Papis“ oder einer „Ersatz-Mami“, die wir einfach auf unseren Chef projizieren.

Laut einer Studie ist der Vorgesetzte eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben eines Menschen und rangiert gleich nach dem Partner und der Familie. Kein Wunder, wenn wir die Elternrolle auf unseren Chef übertragen! Und unsere unverantwortliche Arbeitswelt mit hierarchisch organisierten Unternehmen, abhängiger Arbeit und einem vermeintlichen sozialen Sicherheitsnetz stellt genau das richtige Umfeld dafür zur Verfügung. Wir geben unsere Autorität und damit unsere Verantwortung an die Führungskraft und das Unternehmen ab, passen uns an, müssen keine Entscheidungen treffen und fühlen uns vermeintlich sicher – auch wenn unsere Seele hungert.

Hierarchie fördert unver- antwortliche Führungskräfte

Aber zu einem Spiel gehören ja bekanntlich immer zwei. Wie sieht es denn auf der anderen Seite der Interaktion aus? Auch die Führungskräfte in Hierarchien sind meist nicht wirklich erwachsen und verantwortlich – auch wenn Führung oft mit Verantwortung gleichgesetzt wird. Im Grunde handelt es sich dabei ebenfalls um Menschen, die immer noch im Außen nach Anerkennung und Sicherheit suchen. Nur dass sie das nicht über eine „Eltern-Projektion“ versuchen, sondern indem sie selbst die „Elternrolle“ einnehmen. Sie beziehen Anerkennung und Sicherheit aus ihrer Position als Führungskraft. Nicht selten wird diese Machtposition auch ausgenutzt.

Dafür ist es aber andererseits notwendig, dass ihre Mitarbeiter in der „Kind-Rolle“ bleiben und ihre Autorität an sie abgeben. Führungskräfte in Hierarchien wollen nicht wirklich, dass ihre Mitarbeiter erwachsen und selbstverantwortlich werden. Denn das würde die Gefahr beinhalten, dass sie an Respekt verlieren oder womöglich sogar an ihrem Stuhl gesägt wird. Denn in Hierarchien sind Führungspositionen Mangelware. Hierarchie ist ein Kontext, der auf Mangel, Konkurrenz und Wettbewerb basiert und somit ganz automatisch sogenannte Schattenprinzipien nährt und leicht zu Kampf, Krieg und niederem Drama führt. Hierarchie erzeugt Status – Hochstatus und Tiefstatus – und damit den Nährboden für das beliebte und unbewusste Spiel zwischen Täter, Retter und Opfer.

Deshalb trifft hier die These wirklich zu: in hierarchisch organisierten Systemen ist Führung notwendig. Und es führt zu bestimmten bekannten Resultaten in unserer Arbeitswelt und unserer Wirtschaftswelt.

Das Problem liegt allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Wenn wir also neue Resultate erzeugen wollen, kommen wir um diese Ebene nicht herum. Und wenn neue Ansätze, wie Selbstorganisation, New Work, Holacracy, etc. funktionieren sollen, dann ist es notwendig, dass unsere Arbeitswelt Schritt für Schritt erwachsen wird. Denn wenn wir einfach nur die Hierarchie auflösen und alles sich selbst überlassen, wir aber immer noch im „bedürftigen“ Kind-Ego-Zustand bleiben und nach Anerkennung und Sicherheit im außen streben, wird es voraussichtlich nicht funktionieren! Um eine neue Arbeitswelt zu gestalten, ist es notwendig auf allen Ebenen Veränderung voranzutreiben:

  1. Die Ebene der Beteiligten
    -> Persönlichkeitsentwicklung, Bewusstseinserweiterung, Initiation ins verantwortliche Erwachsensein
  2. Die Ebene der Werkzeuge
    -> Entwicklung neuer Vorgehensweisen, wie Meeting-Technologien, Kommunikationstools, etc.
  3. Die Ebene der Organisation
    -> Evolution der Organisationsform, wie z.B. galaktische Organisation, Netzwerk-Organisation, dezentrale Organisation, …
  4. Die Ebene des Kontexts
    -> Gesellschaftlicher und kultureller Paradigmenwechsel

Was bedeutet radikal verant- wortliches Erwachsensein?

Um dir ein Gefühl dafür zu geben, was radikal verantwortliches Erwachsensein bedeutet, würde ich gerne Evelin Rosenfeld aus ihrem Buch „Was dir wirklich wichtig ist“ zitieren:

Kompromisslose Eigenverantwortung

Kannst du dich mit der Haltung vollständiger Eigenverantwortung anfreunden?

Das bedeutet nicht nur, dass du aufhörst damit …

  • Erwartungen an deine Umwelt zu stellen,
  • Schuld zuzuweisen,
  • dich auf „das Schicksal“ oder deine Ohnmacht zu berufen.

Es bedeutet auch, dass du mit allem, was dir zur Verfügung steht, dafür sorgst

  • Klarheit über dich, dein Wesen und deine Möglichkeiten zu finden,
  • Umstände, die dir nicht gefallen, durch Positions- oder Haltungswechsel so zu verändern, dass sie dir entsprechen,
  • dir und den deinem Wesen innewohnenden Idealen treu zu bleiben

Es bedeutet, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und die Fülle deines Lebens zu entfalten.

Die These „Menschen brauchen Führung“, würde ich gerne umschreiben in …

Kinder brauchen Eltern, die ihnen Liebe und Sicherheit bieten, die mit ihnen sind, ihnen Grenzen setzen und für sie Raum halten, damit sie sich gemäß ihrem innewohnenden Potenzial entwickeln können.

Jugendliche brauchen Mentoren, die ihnen den Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein ermöglichen und sie auf diesem Weg begleiten.

Initiierte erwachsene Männer und Frauen brauchen keine Führung! Sie brauchen keine Autorität im Außen, denn sie sind ihre eigene Autorität. Sie brauchen ein Team von Gleichgesinnten auf Augenhöhe, um Ihre Vision zum Leben zu erwecken. Sie brauchen hin und wieder einen Mentor, einen Coach oder einen Raumhalter, der sie in ihrer eigenen Entwicklung unterstützt.

Erwachsene Organisationen brauchen keine Chefs und Führungskräfte. Es gibt dort initiierte erwachsene Männer und Frauen als Raumhalter, die inspiriert sind und sich in den Dienst der gemeinsamen Vision stellen. Im Gegensatz zur klassischen Führung halten Raumhalter den Raum auf eine Weise, dass alle Beteiligten gestärkt, genährt, zentriert und höchst inspiriert zum Wohle der gemeinsamen Vision selbstorganisiert zusammenwirken können.

Hört sich an wie ein Traum? JA. Und doch findet es schon statt!

Für eine neue Arbeitswelt!

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