Welche unbewussten Schattenabsichten verfolgt Ihr Unternehmen?

Welche unbewussten Schattenabsichten verfolgt Ihr Unternehmen?

Wie Organisationen erwachsen und verantwortlich werden …

In der Entwicklung von Einzelpersonen hin zu verantwortlichen Erwachsenen, die in ihrer vollen Kraft stehen, hat sich ein Aspekt als entscheidend herausgestellt: die Bewusstheit über die eigene Schattenseite. Erst wenn ein Mensch wirklich Klarheit über die unbewussten unverantwortlichen Mechanismen hat, die in ihm ablaufen und die seine hehren und verantwortlichen Absichten sabotieren, hat der Mensch eine Wahl und kann ein verantwortlicheres Spiel kreieren.

Jeder Mensch trägt eine helle verantwortliche Seite in sich und gleichzeitig auch eine unverantwortliche Schattenseite, die meist im Unbewussten agiert. Andere Ausdrücke dafür sind zum Beispiel Unterwelt, innerer Schweinehund, Schatten oder Dämon. Vielleicht kennen Sie das – Sie wollen einen schönen, entspannten Nachmittag im Kreise Ihrer Familie verbringen und am Ende finden Sie sich in einem handfesten Streit wieder, bei dem es darum geht, wer in einer bestimmten Sache Recht hat. Es wird laut, Türen knallen und Sie sind beleidigt oder reden die nächste Stunde nicht mehr mit Ihrem Partner. Oder Sie wollen sich nach dem Mittagessen ein kleines Stückchen Schokolade und einen Espresso gönnen, um den Genuss abzurunden – am Ende haben Sie die ganze Tafel verputzt, haben ein schlechtes Gewissen und keine Ahnung, wie das passieren konnte.

Dies sind nur zwei kleine „banale“ Beispiele, wie die Schattenseite in Ihnen unbewusst Ihre verantwortlichen Absichten sabotiert. Es ist der Teil in Ihnen, dessen Ziel es ist, Verantwortung partout zu vermeiden und Beziehung, Nähe, Kommunikation und Gemeinschaft zu zerstören. Er bedient sich dazu auch unlauterer Mittel, wie z.B. Lügen, Betrügen, Ignoranz, Vorenthalten von Informationen, Faulheit, Arroganz, Überheblichkeit, usw. Ihm ist jedes Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen.

Wenn Sie keine Bewusstheit über diesen Teil in Ihnen haben, dann regiert er unbewusst in Ihrem Leben, um andere oder sogar Sie selbst zu schädigen und sabotiert permanent das, was Sie eigentlich erreichen wollen (vorausgesetzt, es handelt sich dabei um helle Ziele, die etwas Größerem dienen). Wenn Ihre Absicht z.B. ist, Teamwork und Gemeinschaft zu erzeugen, jedoch immer wieder Einzelkämpfertum und Streit das Ergebnis sind, kann es sein, dass Ihr Schattenanteil oder der Schattenanteil anderer Teamkollegen diese Absicht unbewusst untergraben, um möglicherweise Macht auszuüben, Verantwortung zu vermeiden oder Recht zu behalten.

Es geht um Bewusstheit

Der erste Schritt in Richtung verantwortliches Erwachsensein besteht darin, anzuerkennen dass Sie eine Schattenseite haben. Von dort aus kann es dann weitergehen mit der Erforschung, welchen Schattenprinzipien dieser Teil in Ihnen konkret dient. Um noch einmal einige Beispiele für Schattenprinzipien zu nennen: Rechthaberei, Besserwisserei, Arroganz, Rache, Machtmissbrauch, Manipulation, Mobbing, Ignoranz, Erniedrigung, Überheblichkeit, Betrug, Zerstörung, Perfektionismus, Neid, Eifersucht, Verschwendung, Vorteilsnahme, Korruption, Vetternwirtschaft, Herrschen, Konkurrenz etc. Um in die volle eigene Kraft zu kommen, ist es essentiell, Ihre Unterwelt in Besitz zu nehmen. Dazu ist es wichtig, so viel wie möglich über Ihre Unterwelt herauszufinden, um Klarheit darüber zu haben, wann und wie Ihr Schatten am Werk ist, um dann mit dieser Klarheit bewusst ein anderes Spiel kreieren zu können.

Es geht also in keinster Weise darum, Ihren Schatten loszuwerden oder diesen Teil zu „verteufeln“. Die Schattenseite ist nicht schlecht, sondern sie produziert bestimmte Ergebnisse, da es ihre Absicht ist, Verantwortung zu vermeiden. Sie können diesen Teil nicht loswerden. Je mehr Sie versuchen würden, ihn loszuwerden, desto mehr würde er wieder ins Unbewusste gedrängt und könnte von dort aus wieder unbemerkt sein Spiel entfalten. Es geht um Bewusstsein und um die bewusste Wahl, die dadurch möglich wird.

Auch Organisationen haben eine Unterwelt

Aber nicht nur Individuen haben eine helle und eine Schattenseite, sondern auch Unternehmen und Organisationen. Eine Organisation ist eine Gemeinschaft von Individuen, die zusammenkommen, um gemeinsam einer bestimmten bewussten Absicht zu dienen. Diese ist heutzutage oft sogar ausformuliert in einem Leitbild oder einem Mission Statement. Dies entspricht der hellen Absicht der Organisation, dem Dienst, den die Gemeinschaft für das größere Ganze zur Verfügung stellt. In den letzten Jahren ist es durchaus Mode geworden, dass Organisationen ihre Leitprinzipien und Werte, denen sie dienen, herausarbeiten und kommunizieren. Moderne Unternehmens-Webseiten und -Broschüren sind voll davon. Dieses gemeinsame Leitbild ist sinnstiftend, führt zu mehr Klarheit und zu einer hohen Identifikation von Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden mit der Organisation.

Was bisher aber noch völlig im Dunkeln liegt bzw. worüber sich Organisationen in keinster Weise bewusst sind ist, dass sie eben nicht nur bewussten Absichten im Rahmen von verantwortlichen Werten und Prinzipien dienen, sondern unbewusst auch Schattenabsichten am Werk sind, die unverantwortlichen Prinzipien dienen. Vielleicht ist auch hier Ihre erste Reaktion: „Mein Unternehmen und unverantwortliche Absichten? Nein, das glaube ich nicht.“ Zeit genauer hinzusehen. Und zwar immer vor dem Hintergrund, dass es um Bewusstheit geht und nicht um die Verteufelung von Unverantwortlichkeit. Es geht nicht um gut oder schlecht, sondern darum, zu erforschen, welches Spiel unbewusst in Ihrer Organisation abläuft, um dann die Möglichkeit zu erhalten, bewusst ein anderes Spiel zu spielen.

Nehmen wir ein berühmtes und eindrückliches Beispiel einer Organisation mit Licht und Schatten – die Katholische Kirche. Die bewussten und verantwortlichen Absichten, denen sie dient, sind offensichtlich und bekannt. Weniger offensichtlich, aber dennoch sichtbar sind die Schattenabsichten und -prinzipien, welche wirksam sind und zu entsprechenden Resultaten geführt haben bzw. immer noch führen. Denken Sie nur an die Zeiten der Kreuzzüge, der Inquisition oder die Tatsache, dass eine gemeinsame Eucharistiefeier zwischen katholischen und evangelischen Christen offiziell heute noch nicht gewollt ist. Welche Schattenprinzipien könnten hier am Werk sein? Trennung, Machtmissbrauch, Hierarchie, Unterdrückung, Krieg, etc. wären zum Beispiel naheliegend. Oder nehmen wir modernere Beispiele wie die Volkswagen AG mit dem aktuellen Abgasskandal oder die NESTLE S.A., die mit allen Mitteln versucht, Wasserrechte zu privatisieren. Hier sind es vielleicht Schattenprinzipien wie Betrug, Lüge oder Gier, die am Werk sind. Und es sind nicht nur die großen Player, die eine Schattenseite haben, sondern JEDE Organisation – selbst NGOs oder Non-Profit-Organisationen oder Hilfswerke.

Voraussetzungen für eine erwachsene Organisation

Warum ist es nützlich für eine Organisation, sich bewusst zu werden über ihre Schattenabsichten und die Schattenprinzipien, die unbewusst am Werk sind? Wir sind gerade in einer kulturellen Umbruchszeit. Die Arbeitswelt verändert sich bzw. muss sich verändern, da die alten und bekannten Vorgehensweisen und Strukturen nicht mehr dieselben Ergebnisse bringen, wie noch vor 10 oder 20 Jahren. Im Rahmen von Bewegungen wie „New Work“ oder „New Economy“, wird eines deutlich: die zukünftige Art von Zusammenarbeit muss mehr auf Augenhöhe stattfinden, klassische hierarchische Pyramidenstrukturen werden abgelöst von Netzwerkstrukturen, bei denen alle Beteiligten mehr Verantwortung für die gemeinsame Vision übernehmen (sollen). Weg vom Prinzip „Befehl und Gehorsam“ hin zu gemeinschaftlicher verantwortlicher Co-Kreation und Kollaboration.

Organisationen werden erwachsener und verantwortlicher und emanzipieren sich Schritt für Schritt von dem alten Paradigma der Herrschaft und Hierarchie. Genauso wie auf individueller Ebene, kann diese Transformation aber nur dann abschließend gelingen, wenn auch auf gemeinschaftlicher Ebene Bewusstheit über die vorhandenen unverantwortlichen Schattenabsichten erlangt wird. Echte Verantwortung kann nur dann gelebt werden, wenn auch die unbewusst ablaufenden unverantwortlichen Muster offengelegt werden.

Welchen versteckten Absichten dient Ihre Organisation? Welche Schattenprinzipien sind bei Ihnen unbewusst am Werk? Wenn Sie sich gemeinsam einmal diese Fragen stellen, könnte das Ergebnis gleichzeitig erhellend und schmerzhaft sein. Sind es vielleicht Ausbeutung, Konkurrenzkampf, Zerstörung (z.B. der Umwelt), Unterdrückung, Besserwisserei, Intransparenz oder Betrug? Es ist nicht einfach, dem eigenen Schatten mutig ins Gesicht zu blicken – egal ob als Individuum oder als Gruppe. Gleichzeitig ist es sehr heilsam, zuzugeben, dass auch das passiert. Der gemeinsam empfundene Schmerz über die unverantwortlichen Resultate, die Sie zusammen erzeugen, kann eine ebenso starke Inspirationsquelle für Veränderung sein, wie das gemeinsam formulierte Leitbild. Es macht uns ehrlicher, bewusster und realistischer – und lässt uns gemeinsam nach Alternativen und Lösungen suchen.

Voraussetzung für das Erwachsenwerden von Organisationen ist einerseits, dass die beteiligten Individuen Bewusstheit über ihre persönlichen unverantwortlichen Muster erhalten und im nächsten Schritt, dass die unverantwortlichen Prinzipien herausgearbeitet werden, denen die Gruppe gemeinsam dient. Auf diese Weise wird nicht nur jeder einzelne und die Organisation erwachsen und kann einen größeren Grad an Verantwortung übernehmen, sondern dies führt dann auch auf gesellschaftlicher Ebene dazu, dass wir kollektiv eine verantwortlichere, erwachsenere Kultur entwickeln. Denn auch auf kollektiver, gesellschaftlicher Ebene sind unbewusst Schattenprinzipien am Werk, die zu Resultaten führen, welche so weit gehen, dass sie das Überleben der gesamten Menschheit und vieler anderer Lebensformen gefährden.

Aber Achtung: eine bewusste Reise in die Unterwelt – egal ob Ihre persönliche oder die der Organisation zu der Sie gehören – ist kein entspannter Sonntagnachmittag Ausflug, sondern eine herausfordernde, intensive und transformierende Reise, bei der Sie sich bewusst von noch vorhandener Naivität und von Selbstbetrug verabschieden. Es ist eine Reise für Erwachsene, die bereit sind radikale Verantwortung zu übernehmen.

Führung beginnt mit Selbstführung

Führung beginnt mit Selbstführung

Wer hat die Führung – Sie oder die Umstände?

Heute habe ich zu Beginn eine Frage an Sie. Sind Sie eine Führungsperson? Vielleicht denken Sie ja, Sie seien keine Führungsperson oder Sie seien nicht zum Führen geboren. Vielleicht glauben Sie, es gibt genügend andere Menschen, mutigere, extrovertiertere Typen als Sie, die sich dazu berufen fühlen, zu führen. Aber Sie? Nein! Dann würde ich Sie gerne auf das Gedankenexperiment einladen, Führung einmal anders zu betrachten. Zum Beispiel so:

  1. Führung fängt nicht erst dort an, wo es um die Führung anderer geht – Führung fängt bei Ihnen selbst an, bei Ihrem Leben!
  2. Führung ist nicht Ausübung von Macht über andere, sondern sie ist ein Dienst, man könnte sogar sagen, sie ist die höchste Form des Dienens.

1. Führung fängt bei Ihnen selbst an – bei Ihrem Leben!

Führen Sie Ihr Leben oder führt Ihr Leben Sie? Lesen Sie diese Frage am besten mehrmals, bis sie wirklich in Ihrem System angekommen ist. Treffen Sie Entscheidungen bewusst oder unbewusst – oder teils-teils? Wir treffen den lieben langen Tag über Entscheidungen, allerdings sind uns die meisten dieser Entscheidungen nicht bewusst. Und wenn dem so ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ihr Leben Sie führt, statt umgekehrt.

Ein Beispiel: Der Wecker klingelt morgens um 6.00 Uhr. Vielleicht stehen Sie auf, weil Sie aufstehen müssen, weil Sie Kinder haben, für die Sie Frühstück zubereiten müssen oder einen Job, der von Ihnen verlangt, um 8.00 Uhr anwesend zu sein. Es bleibt Ihnen also eigentlich gar nichts anderes übrig, als aufzustehen, obwohl Sie vielleicht noch müde sind. Um sich für die Arbeit fertig zu machen, ziehen Sie wie immer ein frisch gebügeltes Hemd an und einen Anzug, obwohl sie sich in Jeans und T-Shirt wohler fühlen, aber Ihr Arbeitgeber und die Kunden, mit denen Sie zu tun haben, erwarten das nun mal von Ihnen. Diesen Job haben Sie vor einigen Jahren angenommen, weil Sie dort mehr Geld verdienen, als bei Ihrer vorherigen Stelle und das war unbedingt notwendig, damit Sie die Raten für das Einfamilienhaus, dass Sie gekauft haben abbezahlen können. Die Arbeit selbst mögen Sie nicht sonderlich, aber Sie hatten ja keine andere Wahl. Die Kreditraten müssen monatlich bezahlt werden und eigentlich sollten Sie froh sein, dass es geklappt hat mit diesem Job. Das sagt zumindest Ihr Partner auch immer wieder. …

Wenn Ihr Leben in etwa so abläuft und Sie meistens das Gefühl haben, dass Sie keine Wahl haben oder dass Sie durch äußere Umstände gezwungen sind, etwas zu tun oder zu lassen, dann sitzen Sie höchstwahrscheinlich nicht selbst am Steuer Ihres Lebens, sondern Sie reagieren automatisch und unbewusst nach den Regeln und Gesetzen Ihrer eigenen Box. Ihre Box hat nur ein Ziel, nämlich Ihr Überleben zu sichern und so befinden Sie sich im ‚Überlebensmodus‘, der Ihnen vorgaukelt, dass Sie keine anderen Möglichkeiten haben. Da die Box allerdings ein Teil von Ihnen ist, ist es nur die halbe Wahrheit, dass Sie nicht selbst am Steuer sitzen. Dass Sie die Dinge nicht selbst in der Hand haben, ist nur eine ausgeklügelte Illusion Ihrer Box, um Sie ja nicht auf die Idee kommen zu lassen, sich ein anderes Ziel zu suchen, als das Überleben. In Wahrheit sind Sie in diesem Falle eine Führungsperson, die unbewusst so tut, als wäre sie keine! Denn wenn Sie selbst die Führung über Ihr Leben bewusst übernehmen würden, geriete Ihre Box relativ schnell in Panik und würde in Ihnen das Gefühl von Angst auslösen, dass Sie das nicht überleben! Aber wir alle sind dazu fähig und mit den notwendigen Qualitäten ausgestattet, die Führung über unser eigenes Leben zu übernehmen!

Führung in Bezug auf Sie selbst, heißt dass Sie immer die Wahl haben, selbst wenn es noch so unwahrscheinlich aussieht, und Sie diese Wahl auch bewusst nutzen – und zwar nicht, um bloß zu überleben, sondern das in Ihrem Leben zu kreieren, was Ihnen zutiefst am Herzen liegt. Ihr erstes Hilfsmittel, um die Führung über Ihr Leben zu übernehmen, ist Ihre Aufmerksamkeit. Ein mögliches Experiment wäre zum Beispiel, dass Sie über einen längeren Zeitraum hinweg Ihre Aufmerksamkeit darauf legen, wie Sie Ihre Entscheidungen treffen. Und ich meine nicht die großen, wichtigen Entscheidungen, sondern die vielen kleinen unbewussten – von dem Moment an, am Morgen, wenn der Wecker klingelt und Sie entscheiden aufzustehen. Beobachten Sie sich bei allem, was Sie tun oder nicht tun: warum tun Sie genau das? Machen Sie sich unbewusste Entscheidungen bewusst und verfolgen Sie sie zurück bis zu Ihrer Absicht. Ist die dahinterliegende Absicht ‚zu überleben‘ oder ‚Ihre Bestimmung in Aktion zu sein‘. Die Führung über das eigene Leben zu übernehmen bedeutet, die eigenen Entscheidungen immer mehr danach auszurichten, die eigene Bestimmung in Aktion zu sein (Anmerkung: dazu müssen Sie noch nicht wissen, worin Ihre Bestimmung liegt!). Wenn Sie dieses Experiment eine Weile durchführen, werden Sie sich wundern, wie viele unbewusste Überlebens-Entscheidungen Sie an einem Tag treffen. Lassen Sie sich von dieser Erkenntnis berühren! Und: etwas völlig anderes ist möglich – genau jetzt!

2. Führung ist die höchste Form des Dienens

In unserer Gesellschaft ist es leider ein wenig in Vergessenheit geraten, dass Führung eine Dienstleistung ist und kein Selbstzweck. Unsere hierarchischen Pyramiden-Systeme in Unternehmen oder auch in der Politik führen dazu, dass der Zweck der Führung nicht im Dienst an etwas Höherem gesehen wird, sondern darin, sich selbst zu erhalten (siehe oben ‚Überleben‘). Die Luft ‚da oben‘ wird eben dünner und so sehen sich Führungskräfte meist ‚gezwungen‘, um Ihre Position zu kämpfen, statt Ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, nämlich den Staatsprinzipien, den Unternehmensprinzipien oder den Teamprinzipien zu dienen. Führung in ihrer verantwortlichen Form ist aber eine Dienstleistung – ein ‚sich in den Dienst stellen‘ von etwas Größerem. Ein ‚sich zur Verfügung stellen‘ und dafür seine persönlichen Interessen hintanstellen.

Wenn Sie das nun wieder auf das Leben des Einzelnen übertragen, wo es vordergründig nicht darum geht, andere zu führen – auf Ihr persönliches Leben: was könnte dort dieses ‚Größere‘ sein, dem Sie als Führungsperson dienen und wonach Sie Ihr Leben bewusst ausrichten können, statt nur zu überleben? Genau wie jeder Staat gewissen Prinzipien folgt (In Deutschland wären dies z.B. Einigkeit und Recht und Freiheit) und jedes Unternehmen (z.B. Qualität, Kundenorientierung, o.ä.), so hat auch jede einzelne Person, also auch Sie, mindestens eine Handvoll Prinzipien, die Ihnen am Herzen liegen. Im Possibility Management nennen wir diese Prinzipien ‚Bestimmungs-Prinzipien‘, denn sie bilden die Grundlage für Ihre Bestimmung. Meine Bestimmungsprinzipien sind z.B. Klarheit, Möglichkeit, Lebendigkeit, Transformation, Schönheit und Dienst. Und Ihre? Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein oder zwei Ihrer Bestimmungsprinzipien schon jetzt benennen können, einfach weil Sie jetzt wissen, dass es so etwas gibt. Ihre Bestimmungsprinzipien sind bereits jetzt in Ihrem Leben aktiv, obwohl Sie Ihnen vielleicht nicht bewusst sind. Aber sie führen z.B. dazu, dass Sie bestimmte Bücher lesen oder bestimmte Filme gerne mögen oder dass Sie sich an bestimmten Orten wohlfühlen, usw.

Wenn Sie sich aber bewusst entscheiden, damit aufzuhören, so zu tun, als ob Sie keine Führungsperson wären, und den Überlebensmodus einzutauschen gegen das Ziel, Ihre Bestimmung in Aktion zu sein, dann ist es hilfreich, Klarheit über Ihre eigenen Bestimmungs-Prinzipien zu bekommen. Wenn Sie Ihre Bestimmungsprinzipien kennen, dann können Sie sich im nächsten Schritt Ihren Prinzipien verpflichten und damit in Ihnen ein unstillbares Feuer entfachen, so dass Sie gar nicht anders können, als Ihre Bestimmung in Aktion zu sein. Ihre Box wird es dann sehr viel schwerer haben, Sie wieder in den Überlebensmodus zurück zu zerren.

Und dann könnte Ihr Tag so beginnen:

Der Wecker klingelt morgens um 6.00 Uhr. Sie bedanken sich bei Ihrem Wecker, dass er Sie zuverlässig geweckt hat und stehen auf. Die nächste halbe Stunde gehört allein Ihnen. Sie dehnen Ihren Körper mit ein bisschen Gymnastik und meditieren, um sich bewusst mit Ihrer Bestimmung zu verbinden. Jetzt sind Sie bereit – sie stehen zur Verfügung. Die nächste Stunde schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit Ihrer Familie. Sie bereiten in Ruhe ein leckeres, nahrhaftes und gesundes Frühstück zu. Es ist Ihnen wichtig, dass Ihre Kinder, Ihr Partner und Sie selbst gut in den Tag starten. Beim Frühstück genießen Sie das Zusammensein mit Ihrer Familie und den Austausch. Um sich für die Arbeit fertig zu machen, ziehen Sie ein frisch gebügeltes Hemd an und einen Anzug. Sie möchten dadurch Ihre Wertschätzung Ihren Kunden gegenüber ausdrücken und freuen sich, wenn sich Ihre Kunden in Ihrer Gegenwart wohlfühlen, usw.

Bemerken Sie den Unterschied? Wir sind dazu geboren, die Führung über unser Leben zu übernehmen! Denn Anführer werden nicht geboren – Führung ist eine Entscheidung.

Change Management – Früher war sogar die Zukunft besser!

Change Management – Früher war sogar die Zukunft besser!

Warum 99% der Veränderungsprozesse in Unternehmen vergebens sind!

Leben ist Veränderung. So wahr diese Aussage auch sein mag, die meisten Menschen sind und bleiben dennoch Gewohnheitstiere. Wir schätzen Beständigkeit und Sicherheit und tun sehr viel dafür, um diesen Zustand zu erhalten. Dafür verdrängen wir die anfangs genannte Wahrheit so gut es geht – manchmal so lange, bis das Leben selbst uns die notwendige Veränderung quasi mit Gewalt aufdrängt. Dies ist ein sehr paradoxes Verhalten von uns Menschen, wenn man bedenkt, dass Veränderung nichts anderes ist, als ein entscheidender Mechanismus der Evolution. Er sorgt für die Anpassung an ein sich ständig veränderndes Umfeld und ist damit im Grunde ein Garant für’s Überleben. Der Umgang mit Veränderungen im Privatleben bleibt natürlich jedem Menschen selbst überlassen. Schwierig wird das genannte Paradoxon, wenn es um Veränderungsprozesse in Organisationen bzw. Unternehmen geht.

Emotion vs. Ratio – Ego vs. Dollar

Die Notwendigkeit der Veränderung in Unternehmen ist klar und logisch nachvollziehbar. Die Märkte entwickeln sich, es entstehen neue Technologien, die Globalisierung nimmt zu, Verbraucher ändern ihr Verhalten, Moden und Trends kommen und gehen. Die rasante Entwicklung der Telekommunikation und der Informationstechnologie in den letzten 20 Jahren ist nur ein Beispiel für dieses sich ständig im Fluss befindliche Umfeld, in dem Unternehmen agieren. Wer hier nicht schnell genug reagiert, ist nicht selten dem Untergang geweiht, wie z.B. die noch vor Jahren erfolgreichen Videotheken der Blockbuster-Kette, die den Einstieg in den digitalen Handel verpasst haben. Veränderungen in Unternehmen sind in der Regel also immer getrieben von rational nachvollziehbaren Gründen.

Das Problem bei der Sache ist allerdings, dass diejenigen, die die Veränderungsprozesse in Unternehmen anstoßen, in der Regel also die Geschäftsleitung, oftmals genau das eingangs erwähnte Paradoxon außer Acht lassen. Sie gehen wie selbstverständlich davon aus, dass die Menschen in der Organisation genauso denken, wie sie selbst und sich deshalb logisch verhalten. Wie viele sinnvolle und notwendige Veränderungen in Unternehmen sind genau an diesem Trugschluss wohl schon gescheitert? Laut einem Artikel des Harvard Business Managers vom Mai 2013 (s.u.) liegt diese Quote immer noch erschreckend hoch.

Denn gegenüber den logischen Gründen für eine notwendige Veränderung steht die unbewusste und menschliche Angst vor Veränderung. Auch wenn diese Angst von außen noch so paradox erscheint: sie ist vorhanden und zwar massenhaft.

„Bewusste Ratio trifft ergo auf unbewusste Emotionen.“

Sand im Getriebe durch schlecht geplantes Veränderungsmanagement

Mit den besten Absichten stößt die Geschäftsleitung also die Veränderung im Unternehmen an und tut vor versammelter Mannschaft die geplanten Reformen kund – nicht ahnend, welche unbewussten Kräfte sie dadurch in Gang setzt. Ab diesem Zeitpunkt gibt es so gut wie kein Zurück mehr. Auch gut gemeinte Korrekturversuche scheitern kläglich bzw. machen die Situation noch schlimmer und die Geschäftsleitung sieht sich wie Goethes Zauberlehrling einem Szenario gegenüber, das nicht mehr wirklich steuerbar ist.

Die von der Veränderung Betroffenen lassen sich in drei Kategorien aufteilen. Diejenigen, die dafür sind und trotz Angst den Weg mitgehen, weil sie dem Unternehmen vertrauen und selbst schon positive Erfahrungen mit Veränderungen gemacht haben. Die zweite und in der Regel größte Gruppe sind die noch Unentschlossenen, die Angst haben und nicht wissen, was die Veränderung für sie persönlich bedeutet und was sie davon halten sollen. Diese Gruppe ist in der Regel recht beeinflussbar und offen für die Meinungen anderer. Die dritte Gruppe besteht aus denjenigen, die grundsätzlich gegen alles sind, insbesondere gegen jede Veränderung – egal wie sinnvoll sie auch sein mag. Zusätzlich hat jeder einzelne Betroffene noch seine persönlichen Motive.

Was nun oftmals eintritt, ist ‚ungesteuerte‘ Gruppendynamik. Es kommt zum alt bekannten Flurfunk, der vor allem von den verneinenden Kräften initiiert wird und der bei den Unentschlossenen zur Meinungsbildung führt. Die Gruppe derer, die emotional gegen die Veränderung ist, wächst stündlich und der Veränderungsprozess – falls er überhaupt in Gang gekommen ist – stagniert. Am Ende sind sich alle einig: „War doch von Anfang an klar, dass das nicht funktioniert!“ Zwei bis drei solcher gescheiterten Veränderungsversuche können in einem Unternehmen zu einer kontinuierlichen Veränderungs-Unwilligkeit, selbst bei den bejahenden Kräften, führen.

Drei Phasen im Veränderungsprozess

Dies ließe sich leicht verhindern, wenn Veränderungsmanager die von der Veränderung Betroffenen zunächst dort abholen würden, wo sie gerade stehen – nämlich bei ihren persönlichen Motiven und ihrer unbewussten Angst vor Veränderung. Ein gut geplanter Veränderungsprozess gliedert sich deshalb grob in drei Phasen:

Bewusstsein schaffen

Das, was in dem geschilderten Szenario fehlt, ist ein gemeinsames Problembewusstsein. Der Veränderungsmanager geht davon aus, dass das Problem und damit der Nutzen der Veränderung für jeden klar und logisch nachvollziehbar ist und geht damit einer ungeprüften Annahme auf den Leim. Aus Mangel an Information machen sich die Betroffenen, getrieben von Angst und ihren persönlichen Motiven, aber nur darüber Gedanken, was die Veränderung für sie persönlich schlimmstenfalls bringen könnte. Ein gemeinsames Problembewusstsein herzustellen heißt, dass der Veränderungsmanager bei den Betroffen Klarheit schafft: Was hat jeder Einzelne persönlich davon, wenn wir gemeinsam diese Veränderung durchführen. Erst wenn diese emotionale Grundlage geschaffen ist, macht es Sinn, im Veränderungsprozess weiter zu gehen.

Wissen und Können entwickeln

Die Angst der Betroffenen liegt oft darin begründet, dass sie nicht wissen, ob sie nach der Veränderung immer noch die gleiche Leistung bringen können, wie bisher. Sei es die Einführung eines neuen EDV-Systems oder eine strategische Neuausrichtung, die den Mitarbeitern neue Aufgaben bringt – die Angst zukünftig zu scheitern, ist groß. Diese Angst und auch ein möglicher Performance-Abfall kann dadurch gemildert werden, dass den Mitarbeitern entsprechendes Wissen und Können z.B. durch Trainings strukturiert und systematisch an die Hand gegeben wird. Auch das Signal, dass ein kurzfristiger Performance-Rückgang durch das Üben und Trainieren von neuem Verhalten mit einberechnet ist, nimmt Angst und schafft Vertrauen.

Für Nachhaltigkeit sorgen

Manchmal scheitern gut geplante Veränderungsprozesse auch an der Nachhaltigkeit. Die ersten beiden Phasen werden engagiert begonnen und irgendwann mittendrin geht dem Prozess die Luft aus. Jeder Veränderungsprozess folgt einem typischen emotionalen Verlauf, dem sogenannten ‚emotional cycle of change‘. In diesem emotionalen Verlauf jeder Veränderung folgt auf die erste Euphorie unweigerlich eine Zeit, in der es anstrengend wird und die Erfolge noch nicht wirklich sichtbar sind. Hier ist die Gefahr des Aufgebens groß: „Es bringt ja doch alles nichts!“. Und viele Veränderungsmanager tun genau das – aufgeben. Wenn sich der Veränderungsmanager aber bewusst ist, dass es diese Phase gibt und dass sie in eine Phase des Erfolges übergeht, wenn der Veränderungsprozess nachhaltig weitergeführt wird, kann er die Betroffenen mit der entsprechenden Strategie durch dieses ‚Tal der Tränen‘ führen.

Zwei bis drei erfolgreich durchgeführte Veränderungsprozesse können in einem Unternehmen zu einem tiefen Vertrauen in die Zukunft führen und der Gewissheit, dass Veränderungen gemeinsam möglich sind!

Quellen:
„Früher war sogar die Zukunft besser“ – Zitat von Karl Valentin
Handelsblatt (24.09.2010): Blockbuster-Pleite – Die Videothek zieht ins Wohnzimmer
Harvard Business Manager (10.05.2013): Change Management – Was sich ändern muss.

Agile braucht Soft-Skills

Agile braucht Soft-Skills

Ohne die entsprechenden Fertigkeiten sind agile Methoden
nur schwer anwendbar

Agile ist das neue „Zauberwort“ in Managementkreisen und entwickelt sich im Moment zu einem regelrechten Hype. Eine Vorgehensweise, die zunächst auf die effiziente Entwicklung von Software ausgerichtet war, erobert gerade die Chefetagen und Organisationsstrukturen kleinerer und größerer Firmen. Es entsteht ein neuer Zweig für Berater und Trainer: Agile Coaches unterstützen Unternehmen dabei, ihren Weg zu mehr Agility im Projektmanagement zu beschreiten.

Aber was ist Agile und lässt sich mehr Agility einfach so verordnen?

Wie gesagt stammen der Begriff „Agile“ und agile Methoden aus der Softwareentwicklung, die dadurch schneller, unkomplizierter und schlanker gestaltet werden sollte. Und da dies ganz gut funktionierte, wurden die entsprechenden agilen Prinzipien irgendwann in das allgemeine Projektmanagement übertragen und sollen dort zur Anwendung gebracht werden. Dabei basiert Agile auf bestimmten Werten und Prinzipien.

Einige der wichtigsten agilen Prinzipien sind folgende (Quelle: Wikipedia):

  • Agile Prozesse nutzen Veränderungen (selbst spät in der Entwicklung) zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
  • Bereitstellung des Umfeldes und der Unterstützung, welche von motivierten Individuen für die Aufgabenerfüllung benötigt wird
  • Informationsübertragung nach Möglichkeit im Gespräch von Angesicht zu Angesicht
  • Einfachheit ist essenziell
  • Selbstorganisation der Teams bei Planung und Umsetzung
  • Selbstreflexion der Teams über das eigene Verhalten zur Anpassung im Hinblick auf Effizienzsteigerung

Soweit so gut. Insoweit könnten agile Methoden tatsächlich eine nützliche Herangehensweise an komplexe, durch ständige äußere Veränderung beeinflusste Sachverhalte im Unternehmenskontext sein.

Das Problem ist allerdings, dass Agile ein völlig neues Spiel darstellt. Mit Spiel ist dabei eine bestimmte Art der Interaktion zwischen den Spielern (= alle am Spiel Beteiligten) unter Anwendung bestimmter Regeln und Prinzipien gemeint. Und es ist eine Sache, die entsprechenden Spielregeln und Prinzipien zu kennen und eine andere Sache, nach den neuen Spielregeln zu spielen. Letzteres benötigt in der Regel einen Lernprozess, einen Umgewöhnungsprozess, der oftmals bei der Umstellung von herkömmlichen zu agilen Methoden übersehen wird. Es wird oft davon ausgegangen, dass es reicht, die Spielregeln zu erklären. Dabei braucht es eine völlig neue Art des Denkens und Handelns.

Neue Denk- und Verhaltensweisen müssen erlernt werden

Wenn Sie sich einige der o.g. Prinzipien mal genauer ansehen und in die Tiefe gehen, wird klar, wo die Problematik liegt.

Agile-Prinzip:
Agile Prozesse nutzen Veränderungen (selbst spät in der Entwicklung) zum Wettbewerbsvorteil des Kunden

Veränderungen stellen schon für Individuen oftmals ein Problem dar — -ganz zu schweigen von Teams und Organisationen. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ heißt das Sprichwort. Menschen tun sich in der Regel schwer, aus ihrer Komfortzone herauszutreten und Veränderungen willkommen zu heißen. Die Angst vor der Ungewissheit ist groß und schließlich könnte im Endeffekt ihr Job, ihre Position oder ihr Gesicht auf dem Spiel stehen. Schlecht durchgeführte und gescheiterte Change-Prozesse in Unternehmen gibt es zuhauf, welche die Veränderungswilligkeit von Mitarbeitern noch zusätzlich strapazieren.

Mindestens zwei bestimme Soft-Skills sind notwendig, um Veränderungen wirklich willkommen heißen zu können. Erstens eine neue Haltung, ein anderes Bewusstsein in Bezug auf Veränderung. Durch frühe Konditionierung haben die meisten Menschen „Veränderung“ mit „gefährlich“ oder „unbequem“ verkabelt. Hier braucht es eine Neuprogrammierung. Und diese Neuprogrammierung funktioniert nicht über den Intellekt, also nicht durch bloßes Verstehen. Es braucht neue Erfahrungen, um dieses neue Bewusstsein wirklich zu verankern und aus der automatisierten Reaktion auf Veränderung aussteigen zu können.

Die zweite Fähigkeit, die benötigt wird, um Veränderungen willkommen heißen und nutzen zu können, besteht in einem bewussten Umgang mit dem Gefühl Angst. Veränderungen sind immer mit Angst verbunden und das ist gut so. Angst ist notwendig, um wach und vorsichtig Neuland betreten zu können. Da Angst bzw. Gefühle an sich in unserer Arbeitswelt aber immer noch als unprofessionell gelten und es nicht okay ist, Gefühle zu haben, haben die meisten Menschen keinen Zugang zu ihrer Angst. Angst darf nicht sein und muss partout vermieden werden. Aber solange Angst nicht okay ist, sind Veränderungen auch nicht okay, denn sie bedeuten immer eine Gefahr. Hier braucht es also einerseits eine neue Haltung in Bezug auf Gefühle an sich und in Bezug auf das Gefühl „Angst“. Nämlich dass Angst nicht negativ ist, sondern neutral und nützlich, um mit Veränderungen klar zu kommen. Und mit dieser neuen Haltung gilt es dann zu lernen, Angst wieder zu fühlen und bewusst zu nutzen, um neue Wege zu finden.

Wenn Sie also im Rahmen der Umstellung auf agile Methoden Ihren Mitarbeitern sagen, dass ab jetzt Veränderungen im Prozess als Wettbewerbsvorteil genutzt werden sollen, dann ist das ein gut gemeinter Ratschlag, der aber in den meisten Fällen nicht so einfach umzusetzen ist. Nämlich dann, wenn die beschriebenen Soft-Skills dazu noch fehlen.

Selbstorganisation und Selbstverantwortung entstehen nicht von alleine

Agile-Prinzipien:
Bereitstellung des Umfeldes und der Unterstützung, welche von motivierten Individuen für die Aufgabenerfüllung benötigt wird / Selbstorganisation der Teams bei der Planung und Umsetzung

Sie können es sich sicher denken, auch Selbstorganisation lässt sich nur schwer verordnen, insbesondere wenn Teams jahrelang Dienst nach Vorschrift gemacht haben bzw. das Projektmanagement unter der Leitung eines Projektmanagers lief. Damit das Projekt nicht im Chaos endet oder im Sand verläuft, braucht es in selbst organisierten Teams viel Kommunikation und Absprachen. Auch hierzu benötigen die Mitspieler bestimmte Soft-Skills.

Es braucht zum Beispiel jemanden, der auf der Meta-Ebene Raum hält für das Projekt. Raum halten ist in diesem Fall nicht gleichzusetzen mit dem klassischen „Führen“ oder dem Projektmanagement. Raum halten bedeutet, dass eine Person oder eine Gruppe von Personen einen Teil ihrer Aufmerksamkeit dazu nutzt, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Beteiligten gestärkt, genährt, zentriert und inspiriert zusammenwirken können. Dass Probleme schnell auf den Tisch kommen und Lösungen gefunden werden. Dass interne Reibereien und kommunikative Missverständnisse aufgelöst werden, usw. Und, haben Sie in der Schule oder an der Uni Raumhalten gelernt? Höchst wahrscheinlich nicht.

Allein um die Kommunikation in selbstorganisierten Teams aufrecht zu erhalten und nicht in Missverständnissen, Streit, Groll oder Drama zu enden, sind entsprechende Kommunikations-Tools notwendig, welche die Selbstorganisation und die Eigenverantwortlichkeit im Team fördern. Es braucht eine bewusste, offene und verantwortliche Kommunikation zwischen den Beteiligten und Werkzeuge für den Konfliktfall.

Auch das Thema der Eigenverantwortlichkeit an sich ist nicht trivial. Denn auch in Bezug auf Verantwortung herrscht manchmal eine Konditionierung, die nicht nützlich ist und dazu führt, dass Menschen keine Verantwortung übernehmen wollen. Solange Verantwortung (unbewusst) gleichgesetzt wird mit „eine Last“, „schwer“, „die Schuld haben, wenn etwas schief geht“, etc. wird Selbstverantwortung nur solange okay sein, bis es ein Problem gibt. Wir leben in einer Kultur, in der wir gewohnt sind, nur einen gewissen Grad an Verantwortung zu übernehmen und den Rest auf eine höhere Instanz zu verlagern (Vater Staat, das Unternehmen, für das ich arbeite, der Vorgesetzte, …). Radikale Selbstverantwortung ist eine Perspektive bzw. eine Fähigkeit, welche auch erst durch neue Erfahrung erlernt werden muss.

Die Voraussetzung für Selbstreflexion ist eine positive Feedback-Kultur

Agile-Prinzip:
Selbstreflexion der Teams über das eigene Verhalten zur Anpassung im Hinblick auf Effizienzsteigerung

Ehrliche Selbstreflexion ist schon für Individuen eine Herausforderung und benötigt viel Klarheit und Bewusstheit. Selbstreflexion in Teams ist dann noch etwas schwerer, da der Aspekt der Kommunikation im Sinne von gegenseitigem Feedback hinzukommt. Damit dies reibungslos funktionieren kann, ist eine positive Feedback- und Fehlerkultur die Voraussetzung. Doch ganz ehrlich: wo herrscht eine solche Kultur, außer in der Wunschvorstellung schön geschriebener Mission-Statements? Nach 9 bis 13 Jahren Schul-Karriere ist das mit der Fehler-Kultur so eine Sache. Der normale Westeuropäer ist jahrelang darauf konditioniert worden, dass es schlecht ist, Fehler zu machen und dass es im schlimmsten Falle zu Ausgrenzung und Bestrafung führt. Daher wird auch Feedback nicht unbedingt als erstrebenswert angesehen, sondern häufig gleichgesetzt mit Kritik oder Angriff. Feedback wird dann vielleicht noch vom Vorgesetzten akzeptiert, aber von Gleichgestellten?

Diese Haltung erschwert die Umsetzung dieses agilen Prinzips enorm und birgt die Gefahr, dass offenes Feedback und Selbstreflexion zu Groll und Konflikten im Team führen. Auch hier muss die entsprechende Fähigkeit zunächst in einem sicheren Umfeld entwickelt werden. Eine neue Kultur entwickelt sich nicht einfach durch die Entscheidung, ein bestimmtes Prinzip ab heute anzuwenden.

Agile ist mehr als eine Methode

Dies sind nur drei Beispiele, warum es zur Anwendung agiler Methoden mehr braucht, als einen Workshop über agile Methoden. Solange der Boden nicht bereitet ist und nicht alle Beteiligten befähigt werden, durch das Erlernen entsprechender Soft-Skills die agilen Prinzipien anzuwenden, wird der Samen von Agile nicht aufgehen können. Wie jede neue Vorgehensweise, kann auch Agile nur in einem neuen, passenden Kontext gedeihen. Wenn Sie also Agile für Ihr Unternehmen entdeckt haben, sollten Sie auch in Betracht ziehen, allen Beteiligten die entsprechenden Soft-Skills zur Verfügung zu stellen.

Demokratie in Unternehmen – geht das?

Demokratie in Unternehmen – geht das?

Warum Demokratie im patriarchalen Kontext nur ein schöner Schein ist

Demokratie in Unternehmen ist gerade ein sehr angesagtes Thema – zumindest in der stetig wachsenden New Work Bewegung. Es gibt Firmen, die bereits demokratische Ansätze eingeführt haben, z.B. dass die Geschäftsführung regelmäßig von der Belegschaft gewählt wird. Bei vielen Treffen und Events wird immer wieder die Frage gestellt: „Ist Demokratie in Unternehmen möglich und ist sie sinnvoll?“. Eine sehr interessante Frage, die ich heute einmal von einer anderen Seite beleuchten möchte.

Meine ganz persönliche Meinung zu dem Thema ist folgende:

Es braucht einen bestimmten Kontext, damit Demokratie wirklich funktionieren kann. Demokratie kann nur auf einem Kontext von erwachsener, hoher oder radikaler Verantwortung gedeihen.Und der Kontext, in dem wir uns gerade immer noch befinden, das Patriarchat, ist alles andere als verantwortlich. Demokratie im patriarchalen Kontext birgt immer die Gefahr, dass sie im patriarchalen Sinne – also unverantwortlich – benutzt wird. Die Beteiligten fühlen sich dann zwar vielleicht etwas besser, aber die Resultate ändern sich nicht.

Typische Kennzeichen des Patriarchats (Vaterherrschaft bzw. Herrschaft des männlichen Prinzips) sind zum Beispiel:

  •  Verherrlichung des männlichen Prinzips (Wettkampf, Krieg, Gewinne machen, Verstand herrscht über Gefühl, Tun/Machen ist wichtiger als Sein, Haben ist wichtiger als Sein, Wachstum um jeden Preis, …)
  •  Typische Organisationsform: Hierarchische Pyramidenstruktur mit einer (männlichen) Autoritätsperson (= Oberster Vertreter des männlichen Prinzips) – Motto: „Mache dir die Welt Untertan“
  •  Menschliche Interaktionen überwiegend zwischen Eltern-Rollenspielern (Ausübung von Macht) und Kind-Rollenspielern (Abgabe von Macht) – beide Seiten agieren unverantwortlich
  •  Macht und Ohnmacht – Herrschen und beherrscht werden – Täter und Opfer
  •  Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur für persönliche/egoistische Zwecke, usw.

Das Patriarchat beinhaltet verschiedene Faktoren, die dazu führen, dass Demokratie im patriarchalen Kontext nur oberflächlich funktionieren kann:

Wir leben in einer Welt kindlicher Verantwortung

Wenn wir uns die moderne westliche Welt genauer anschauen, stellen wir fest, dass sich die Masse der Menschen auf einem kindlichen Verantwortungsgrad befindet. Das klingt im ersten Moment vielleicht befremdlich. Was meine ich damit genau? Es gibt unterschiedliche Grade von Verantwortung, die Menschen bereit und fähig sind, zu übernehmen (siehe Grafik). Wenn ein Kind Unordnung macht, denkt es in der Regel nicht darüber nach, wer das Chaos am Ende wieder beseitigt. Meist sind es die Erwachsenen, die dann aufräumen müssen. Übertragen auf unsere Gesellschaft fragen Sie sich doch mal: „Was ist das Chaos, das wir in der Welt erschaffen, ohne darüber nachzudenken, wer es irgendwann wieder aufräumt?“ Denken Sie zum Beispiel an die Umweltverschmutzung, die Benutzung von mit Uran angereicherten Waffen, an genmanipulierte Lebensmittel und Saatgut, an den unbedachten Gebrauch von Plastik oder an unsere Gewohnheit des Kaufens und Wegwerfens, um nur einige Beispiele zu nennen. Irgendjemand wird schon dafür sorgen, dass alles gut geht! Wir haben dabei eigentlich nichts Böses im Sinn, doch die Resultate sind dennoch nicht tragfähig.

Auch unsere Gesellschaftssysteme sind auf ein Spiel zwischen Eltern-Rollenspielern und Kind-Rollenspielern ausgerichtet. In der Kind-Rolle geben wir unsere Autorität und Verantwortung an „Vater Staat“ ab und hoffen, dass er gut für uns sorgt. Oder wir ordnen uns als Angestellter der Autorität von Vorgesetzten bzw. des Unternehmens unter und profitieren von monatlichen Gehaltszahlungen und der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, um uns sicher zu fühlen. Beim Verantwortungsgrad eines Kindes sehen wir uns oft als Opfer der Umstände. Wir glauben, dass wir keine andere Wahl haben.

Übertragen auf das Thema „Demokratie in Unternehmen“ heißt das: Wenn Mitarbeiter auf einem kindlichen Verantwortungsgrad agieren, neigen sie dazu das auch weiterhin zu tun, selbst wenn sie die Möglichkeit haben, ihren Chef demokratisch zu wählen. Dennoch werden sie ihn als Vorgesetzten sehen und versuchen, Entscheidungen, Autorität und Verantwortung an ihn abzugeben.

Das einzige was sich dann verändert, ist die Art und Weise, wie ein Vorgesetzter in seine Position kommt. Der Grad an Verantwortung, den Mitarbeiter übernehmen, verändert sich aber nicht alleine dadurch. Denken Sie einfach mal an unsere Gesellschaft hier in Deutschland – auch wir wählen unsere Repräsentanten/Führungskräfte nach dem demokratischen Prinzip. Am Grad der Verantwortung, die von den einzelnen Bürgern übernommen wird, ändert das allerdings nichts. Wenn es uns schlecht geht, kommt ganz schnell die Aussage: „Die da oben sind schuld!“

Das gewohnte unverantwortliche Spiel zwischen Kind-Rollenspieler und Eltern-Rollenspieler

Das oben genannte Verhalten gehört zu einem weit verbreiteten und sehr beliebten Spiel, welches dazu dient Verantwortung möglichst zu vermeiden. Es findet zwischen zwei sich sehr gut ergänzenden Spielern statt:

Auf der einen Seite (im Bild links) ist der Kind-Rollenspieler, der sein Zentrum und damit seine Autorität an eine vermeintliche Autoritätsperson abgibt. Er verhält sich angepasst und glaubt, dass er dann nicht verantwortlich ist. Er muss keine Entscheidungen treffen und ist auch nicht schuld, wenn etwas schief geht. Die Autoritätsperson kümmert sich um alles. Der Nutzen dieses Verhaltens: es ist überaus bequem! Und der Kind-Rollenspieler fühlt sich sicher.

Auf der anderen Seite des Spielbretts befindet sich eine Autoritätsperson. Es gibt allerdings zwei Arten von Autoritätspersonen. Die erste Art passt sehr gut zum Kind-Rollenspieler, denn sie ist ein Eltern-Rollenspieler und liebt es, wenn sie von angepassten Anhängern umgeben ist. Bei dieser Person handelt es sich um einen unverantwortlichen Anführer, denn sie fühlt sich nur sicher, wenn ihr keiner ihre Macht streitig macht. Sie hält andere klein, um sich selbst groß zu fühlen. Sie ist darauf aus, die Karriereleiter nach oben zu klettern, um möglichst viel Macht ausüben zu können.

Diese Interaktion ist in Unternehmen sehr weit verbreitet und findet meist vollkommen unbewusst statt. Auf der einen Seite Mitarbeiter, die gerne ihre Ruhe haben und kein Risiko eingehen wollen und sich daher gerne angepasst verhalten. Auf der anderen Seite Führungspersonen, die Angst um ihre Position haben und daher versuchen Macht auszuüben, indem sie andere klein halten. Beide übernehmen unbewusst keine Verantwortung!

Verantwortliche Anführer, die ihre Mitarbeiter ermächtigen, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre eigene Kraft, Kreativität und Autorität einzusetzen und die auf Augenhöhe agieren können und wollen, sind noch nicht weit verbreitet.

In Bezug auf das Thema „Demokratie in Unternehmen“ heißt das: Solange noch das alte unverantwortliche Spiel zwischen Kind-Rollenspielern und Eltern-Rollenspielern im Unternehmen läuft, besteht das Risiko, dass Mitarbeiter zwar ihre Vorgesetzten wählen, aber dennoch dasselbe Spiel weiterläuft.

Die typische hierarchische Pyramidenstruktur hält dieses Spiel am Laufen

Die typische Organisationsstruktur des Patriarchats spiegelt sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft wider. Egal ob Wirtschaft, Bildung, Religion, etc. alles basiert auf denselben Paradigmen und Annahmen und ist in der gleichen Struktur aufgebaut – der Pyramidenstruktur.

Zum Beispiel:

Oberster Vertreter des männlichen PrinzipsMittlere Ebene, operative Ausübung von MachtAusführende Masse
NationPräsidentRegierung und deren OrganeVolk
ReligionGott-Vater (der eine männliche Gott)Die weltlichen Vertreter GottesGläubige
Katholische KirchePapstErzbischöfe, Bischöfe, Priester, etc.Katholiken
UnternehmenCEOManagementMitarbeiter
SchuleDirektorLehrerSchüler
etc.

Die Pyramidenstruktur teilt die Mitglieder einer jeden Organisation in zwei Klassen ein: die herrschende Klasse und die beherrschte Klasse. Die Pyramidenstruktur verleiht Macht durch Status und Position, wobei die Menge an Machtpositionen eingeschränkt ist und nach oben hin abnimmt. Dieser im System vorgesehene Mangel an Machtpositionen führt automatisch zu Konkurrenz und Wettkampf, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass gerade Menschen mit psychopatischen Tendenzen (Unverantwortlichkeit, Rücksichtlosigkeit, Machthunger) es ganz nach Oben schaffen. Das kann auch in Demokratien passieren – denken Sie nur an Donald Trump, der vielleicht der nächste gewählte Präsident der Vereinigten Staaten wird.

Vielleicht denken Sie jetzt: „Das ist doch ganz normal“. Genau – das ist die gewohnte Normalität. Die Masse wird geführt von einer Minderheit, welche die Macht besitzt. „Es kann ja nicht nur Häuptlinge geben. Irgendjemand muss ja auch die Arbeit machen.“, „Mitarbeiter wollen geführt werden.“, das sind typische Aussagen, die ich in diesem Zusammenhang immer wieder höre. Dieses Prinzip ist so tief in unseren Zellen eingebrannt, dass es sich nicht einfach dadurch verändert, dass wir auf einmal Demokratie in Unternehmen einführen.

Und wie leicht Macht ihre Inhaber in hierarchischen Pyramidensystemen korrumpiert – auch wenn sie durch demokratische Wahl verliehen wurde – ist uns allen wohl bekannt. Es gibt genügend Beispiele in der Geschichte oder auch in Ihrem persönlichen Umfeld.

Die Voraussetzung, dass Demokratie wirklich funktionieren kann und nicht unbewusst unverantwortlich benutzt wird – egal ob in Unternehmen oder in der Gesellschaft – ist ein hoher Verantwortungsgrad der Mehrzahl aller Beteiligten. Um diesen Zustand zu erreichen, bedarf es eines Transformationsprozesses der beteiligten Personen, der nur auf der persönlichen Ebene jedes einzelnen stattfinden kann, und kann nicht einfach von außen verordnet werden. Und solange dies nicht passiert, besteht immer die Gefahr, dass Demokratie ein schöner Schein bleibt, mit dem man der Masse vorgaukelt „eine Wahl zu haben“, die diese vielleicht noch nicht mal bereit ist, zu nutzen.

Demokratie funktioniert nur mit hoher Selbstverantwortung.

Schnelles Lernen ist eine Notwendigkeit  der nächsten Kultur

Schnelles Lernen ist eine Notwendigkeit der nächsten Kultur

Der Evolution ist es egal, dass wir die Freude am Lernen verloren haben

Ich bin ein leidenschaftlicher Lerner. Ich lerne so gerne, dass ich das Lernen sogar zu meinem Beruf gemacht habe. Und dennoch musste ich irgendwann feststellen, dass tief in mir eine unbewusste Abneigung gegen das Lernen vorhanden ist. Das war eine unerwartete Entdeckung.

Während einer Session mit einer Trainerkollegin wurde uns klar, dass die Art und Weise, wie Lernen in unserer jetzigen Kultur von Statten geht und die Erfahrungen, die wir selbst mit dem Lernen gemacht haben, in uns tiefe Überzeugungen hinterlassen haben, die es verhindern, dass wir uns voll und ganz auf das Lernen einlassen können.

Lernen ist in unserer Kultur sehr stark mit Strafe und Sanktionen verbunden

Lernen in unserer heutigen Kultur bedeutet in der Regel, dass wir noch nicht ganz fertig sind, noch nicht gut genug. Das Lernen findet in abgetrennten Institutionen statt, wie der Schule oder der Universität, die uns auf das Leben vorbereiten sollen. Lernen ist in unserer heutigen Kultur somit getrennt vom eigentlichen Leben. Es findet sozusagen „vorgelagert“ statt – erst müssen wir lernen und erst dann können wir leben. Dabei wird in diesen Institutionen hauptsächlich Wissen in die Köpfe der Lernenden gekippt, was sie aber in keinster Weise auf das wirkliche Leben vorbereitet.

Durch Prüfungen wird dann getestet, ob dieses Wissen abgerufen werden kann. Teilweise wird zusätzlich geprüft, ob der Lernende in der Lage ist, das Wissen auch im theoretischen Kontext anzuwenden. Die ständige Bewertung, die damit verbunden ist (gut/schlecht, bestanden/ durchgefallen, etc.) und die daraus folgenden drohenden Sanktionen, wie Ausgrenzung, Sitzenbleiben oder Strafe, lassen das Lernen zu einem angstbesetzten Gewinner/Verlierer-Spiel werden, das Konkurrenz und Wettkampf fördert. Zudem ist Lernen in unserer Kultur überaus hierarchisch organisiert. Ziel des Lernens ist es, sich einen möglichst hohen Status in der Gesellschaft zu erarbeiten – ein Hochschulabschluss gilt z.B. mehr als ein Hauptschulabschluss – aber Lernende stehen im Status zunächst erstmal weit unten. Außerdem sind sie dem Urteil sogenannter Autoritäten (Lehrer, Professor, etc.) ausgeliefert. Deren Urteil bestimmt über Wohl und Wehe des Lernenden – manchmal sogar über dessen Zukunft.

Die Art wie wir lernen, fördert Lernunwilligkeit, selbst bei leidenschaftlichen
Lernern

Kein Wunder also dass wir froh sind, irgendwann mit dem Lernen fertig zu sein und „ausgelernt“ zu haben. Dieser Zustand wird während der Schulzeit ständig herbeigesehnt. Wenn wir aber dann so weit sind, haben wir bereits eine derartige bewusste oder unbewusste Abneigung gegen das Lernen entwickelt, dass wir uns ungerne freiwillig in weitere Lernsituationen begeben wollen. Es kann dazu führen, dass wir uns später im Leben schwer tun mit Feedback oder Kritik – sei es im Privatleben oder am Arbeitsplatz.

Dies gilt nicht nur für Menschen, die ungern zur Schule gegangen sind oder die Schule sogar gehasst haben! Ich selbst habe die Schule geliebt – aber eben nur deswegen, weil ich zu den Gewinnern gehörte! Ich hatte den Vorteil, dass ich mir Wissen schnell aneignen und merken und deshalb das Spiel zu meinen Gunsten nutzen konnte. Dennoch hatte es mit dem echten Leben nicht das Geringste zu tun. Ich war danach nicht mehr oder weniger auf das Leben vorbereitet, wie jeder meiner Schulkameraden. Und obwohl ich ein Gewinner war, habe ich dennoch eine Abneigung gegen das Lernen entwickelt.

Und diese allgemein verbreitete „Lernstörung“ kann uns heute zum Verhängnis werden. Die Geschwindigkeit, in der sich unsere Lebensumstände derzeit verändern, nimmt ständig zu. Die globalen Herausforderungen, die es in naher Zukunft zu meistern gibt, erfordern von uns die Fähigkeit, schnell zu lernen und neue Möglichkeiten zu entdecken. Wenn wir aber unbewusst nicht bereit sind, zu lernen, d.h. Fehler zu machen, zu experimentieren, zu scheitern und wieder aufzustehen, werden wir uns schwer tun, unsere Zukunft zu gestalten. Das Leben bleibt aber nicht stehen, nur weil wir den Spaß am Lernen verloren haben. Und wenn wir die Zukunft nicht gestalten, dann wird die Zukunft uns gestalten – wie auch immer das aussehen mag. Dies gilt im Kleinen wie im Großen – egal ob es sich um das persönliche Leben, die Entwicklung eines Unternehmens oder eine Organisation oder unserer Gesellschaft an sich handelt.

Dabei ist das Lernen eine der schönsten und magischen Fähigkeiten der menschlichen Natur! Der Zustand, den wir so sehr herbeisehnen, nämlich „fertig“ zu sein und „ausgelernt“ zu haben, ist eine Illusion! Leben heißt immerwährendes Lernen! Jeder der schon mal einem kleinen Kind dabei zugesehen hat, wie es laufen lernt – mit welcher Leidenschaft, Geduld, Mut, Hartnäckigkeit und Spaß – weiß, wovon ich spreche. Um zukunftsfähig zu sein, müssen wir uns genau diese Einstellung zum Lernen wieder zurückerobern und uns eine neue Sichtweise in Bezug auf das Lernen aneignen.

Der Evolution ist es egal, ob wir den Spaß am Lernen verloren haben

Eine Gegenüberstellung zwischen der traditionellen und einer möglichen anderen Sicht auf das Lernen findet zeigt folgende Landkarte:

Lernen – traditionelle SichtweiseLernen – alternative Sichtweise
findet im Kopf stattfindet in allen 4 Körpern (physisch, intellektuell, emotional, energetisch) statt
kommt vor dem Leben / ist getrennt vom Leben (erst muss ich lernen, dann kann ich leben)mitten im Leben /
Lernen = Leben, Spielen = Leben
=> Lernen ist Spielen
ist linear (erst A, dann B, dann C)ist nicht linear
Ziel des Lernens ist es, irgendwann fertig und ausgebildet sein („ausgelernt haben“ / ein Zustand in der Zukunft)es ist nicht das Ziel, irgendwann fertig zu sein; Lernen gehört zum Leben, wie Atmen (vom ersten bis zum letzten Atemzug)
mein Zentrum/meine Kraft liegt in der Zukunft, da ich erst nach dem Lernen handlungsfähig binich bin immer handlungsfähig, selbst während ich lerne – mein Zentrum/meine Kraft liegt im JETZT
wird benotet nach gut und schlecht bzw. von ungenügend bis sehr gutproduziert Feedback: was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert, welche anderen Möglichkeiten gibt es
ist anstrengend / immer ernst und schwerist high level fun
es geht um Bestehen oder Durchfallen (= gewinnen oder verlieren)Es geht nicht um Bestehen oder Durchfallen, sondern es ist ein fortwährender Prozess: Go – Beep – Shift – Go
ich muss einer Autorität beweisen, dass ich es kanndas Leben und die Resultate zeigen auf, was funktioniert und was nicht funktioniert
ist abhängig von der Bewertung von sogenannten Autoritäten (= Lehrer, Professor, Guru)ich bin meine eigene Autorität und hole mir Feedback von Mentoren und Unterstützern
ich sollte es eigentlich schon können, d.h. lernen ist nicht o.k. / ist eine SchwächeNicht Wissen ist o.k. / Am Anfang sein ist o.k.
heißt, ich bin noch nicht gut genugheißt, ich lebe
ist verbunden mit emotionaler Angst vor dem Versagen und vor Sanktionen (Strafe, Sitzenbleiben, etc.)beim Lernen Angst zu verspüren ist authentisch erwachsen und normal, denn ich betrete Neuland
Angst ist schlecht – führt zu Black OutAngst ist der Motor für neue Experimente und Innovation – Angst ist o.k.
wer es nicht kapiert, braucht Nachhilfedas Leben bietet ständig Gelegenheiten zum Lernen
wer schnell kapiert, ist der Siegerschnelles Lernen ist eine erlernbare Fähigkeit
Wissen ist Macht / KontrolleWissen ohne Tun ist nutzlos; Wissen ist Verantwortung
es gibt einen vorgegebenen Lehrplan und eine klare Vorstellung davon, was man wissen/können muss, um ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu seinvöllig Neues, Ungewöhnliches ist möglich; beinhaltet eine Fülle von Möglichkeiten, ich lerne, was ich wirklich brauche, nicht was vorgegeben ist
macht uns zu Einzelkämpfern u. Konkurrentenich brauche ein Team, um das zu lernen, was wirklich notwendig ist
Haltung beim Lernen: „Augen zu und durch“Haltung beim Lernen: „Augen auf und experimentieren“

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Organisation also Veränderungen anstreben, seien Sie sich bewusst, dass vermutlich ein Großteil Ihres Teams und vielleicht sogar Sie selbst mehr oder weniger an dieser gesellschaftlich verbreiteten „Lernstörung“ leiden. Erst das Bewusstsein darüber und neue, positive Erfahrungen mit dem Lernen machen es möglich, eine neue Sichtweise anzunehmen und die alte Programmierung loszuwerden. Dazu braucht es einen „geschützten“ und gehaltenen Raum, in dem es in Ordnung ist zu experimentieren und Fehler zu machen.

Bisher galt vielleicht der Grundsatz: „Fehler kosten Zeit und Geld – Fehler werden bestraft!“

Zukünftig könnte der Grundsatz gelten: „Wenn du nicht genug Fehler machst, bist du nicht innovativ – und die Evolution wartet nicht auf dich!“ Welcher Grundsatz gilt in Ihrer Organisation – bewusst oder unbewusst?

Führt die Sucht nach Kausalität in die Sackgasse?

Führt die Sucht nach Kausalität in die Sackgasse?

In Zeiten schnellen Wandels sind Musterlösungen
und Patentrezepte oft unbrauchbar

Beim letzten Wevent in München, einer Open Space Veranstaltung zum Thema „Zukunft der Arbeit“, gab es eine Session mit der Überschrift „Denkfehler New Work“. Die Diskussion rankte sich dabei um die Tatsache, dass wir oft sehr schnell bestimmte Schlüsse ziehen – die vielleicht gar nicht in einem direkten Zusammenhang mit angenommenen Bedingungen stehen. So z.B. wird im Moment gerne jedes ungewöhnliche Vorgehen eines Unternehmens mit dem Stempel „New Work“ versehen, in der Hoffnung, eine übertragbare Patentlösung für die Zukunft der
Arbeit daraus zu machen. Aber vielleicht liegt das ungewöhnliche Vorgehen in ganz anderen Ursachen begründet, die eher mit dem Produktionsprozess, der Firmenstruktur oder sonstigen Bedingungen zu tun haben. Das gerade gefundene Paradebeispiel wäre dann schon bei nächster Gelegenheit nicht mehr sinnvoll anwendbar.

Aber warum neigen wir überhaupt dazu, nach Kausalität zu suchen – nach Mustern und Gesetzmäßigkeiten? Warum lieben wir unsere „Wenn–Dann“s so heiß und innig, dass wir uns ungern von ihnen trennen?

Ganz einfach: Kausalität und Linearität haben etwas Beruhigendes und erleichtern uns das
Leben. Aus A folgt B. Wie schön – keine weiteren gedanklichen Anstrengungen notwendig! Problem gelöst und zurück in die heimelige Komfort-Zone unserer Gewohnheits-Box! Es fühlt sich einfach gut an, wenn wir glauben die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung gefunden zu haben. Die Angst, die mit dem Nicht-Wissen verbunden ist, wird dadurch gemildert. Wir müssen sie nicht mehr fühlen. Selbst wenn es sich um eine schwere Krankheit handelt, fühlen wir uns meist etwas besser, wenn wir ihren Namen kennen. Denn dann ist der Feind benannt und wir können mit den üblichen Mitteln dagegen vorgehen. Ob die Zusammenhänge in diesem Fall anders sein könnten, darüber machen wir uns erst Gedanken, wenn die übliche Heilmethode keine Wirkung zeigt.

Ein Beispiel:

1 + 1 = 2

„Richtig!“, sagt ein Teil von Ihnen wahrscheinlich gerade. Klar, was sonst? Das fühlt sich gut an und sicher. Das kann in jedem Lehrbuch nachgelesen werden und ist mathematisch unangreifbar. Allerdings ist die Rechnung dann auch zu Ende, d.h. wir denken nicht mehr darüber nach oder stellen das Ergebnis nicht in Frage. Das hat seine Vorteile, aber auch seine Nachteile.

Wie sieht es hiermit aus:

1 + 1 = 1

Oder hiermit:

1 + 1 = 3

1 + 1 = ∞

Wie fühlen sich diese Gleichungen für Sie an? Können Sie den Teil in sich spüren, der sich
vehement dagegen wehrt und für den sich diese Gleichungen seltsam anfühlen? So ein Quatsch – muss wohl ein Schreibfehler sein! Weil sie vom Normalen und Bekannten abweichen, sind diese Möglichkeiten unbequem. Sie kitzeln und provozieren unseren logischen
Verstand. Unweigerlich fängt ein kleiner Teil in unserem Gehirn an, darüber nachzudenken, was das bedeuten könnte. Und genau genommen sind diese Gleichungen genauso zutreffend, wie die uns allen bekannte. Es kommt einfach auf den Kontext an!

Was will ich damit sagen? Kausalität und Linearität sind wunderbar – solange wir sie bewusst einsetzen. Doch schnell kann sich unsere Neigung kausal und linear zu denken, zu einer unbewussten Vermeidungsstrategie entwickeln, um nicht mit der Angst des Nicht-Wissens konfrontiert zu werden. Natürlich ist es ein Vorteil, wenn wir nicht immer alle auf uns einströmenden Informationen verarbeiten müssen, sondern selektieren und clustern, um Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, die uns helfen in ähnlichen Situationen schneller zu reagieren. Ja, das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden – die Frage ist nur, was haben wir durch diese Vorgehensweise wohl alles verpasst, zu erfinden? Irgendwann wird diese Art des Denkens dann zur Gewohnheit – wir können gar nicht mehr anders. Und in Zeiten wie diesen, in Zeiten schnellen Wandels und tiefgreifender Veränderungen kann uns genau das zum Verhängnis werden. Nämlich dann, wenn wir gar nicht mehr in der Lage sind, nicht-linear zu denken und zu handeln.

Neben der genannten Vorteile, hat kausales, lineares Denken und Vorgehen entscheidende Nachteile:

  • Es schließt Individualität und damit die Realität aus
  • Es fördert vor allem naheliegende Lösungen
  • Es vereinfacht oft zu stark, was bei steigender Komplexität zu einem Rückgang des Wirkungsgrades führen kann
  • Es setzt zu viele Prämissen und Bedingungen als gegeben voraus
  • Es wiegt in vermeintlicher Sicherheit, da wir der Regel folgen: „Wenn es logisch ist, ist es richtig“
  • Es schließt die Möglichkeit der Möglichkeit aus, nämlich dass es unendlich viele andere Möglichkeiten gibt
  • Es hemmt echte Innovation und Evolution
  • Es ist langweilig, vorhersehbar und macht keinen Spaß
  • u.v.m.

Das Problem ist, dass wir die aktuellen gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen mit diesem uns so gewohnten linearen und kausalen Vorgehen voraussichtlich nicht lösen können. Wir befinden uns in einer Zeit der tiefgehenden Transformation. Alte, für richtig befundene
Gesetzmäßigkeiten verlieren ihre Gültigkeit. Wir werden unweigerlich gezwungen, Neuland zu betreten und die Welt neu zu erfinden. Transformation und Innovation sind unbequem, da Angst ihr natürlicher Begleiter ist. Und so lange wir „unbequem“ und „Angst“ gleichsetzen mit
„anstrengend“, „gefährlich“ oder „unattraktiv“, werden wir versuchen, uns so schnell wie möglich wieder auf die rettende Insel einer Musterlösung oder eines Patentrezepts zu flüchten.

Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern und die Zukunft der Arbeit neu zu erfinden, sind also andere und ungewöhnliche Skills erforderlich, als das übliche kausale Denken, das wir jahrelang durch Schule, Universität und Ausbildung verinnerlicht haben, nämlich u.a.:

  • Die Fähigkeit, am Rande der eigenen Komfort-Zone und darüber hinaus zu agieren
  • Die Fähigkeit, Angst zu tolerieren und als Raketentreibstoff für Innovation zu benutzen
  • Die Fähigkeit, nicht-linear zu denken und zu handeln
  • Die Fähigkeit, bisher gültige Gesetzmäßigkeiten und Regeln zu brechen bzw. außer Kraft zu setzen
  • Die Fähigkeit, im Nicht-Wissen zu stehen und aus dem Nichts etwas neues entstehen zu lassen
  • Die Fähigkeit, leidenschaftlich zu experimentieren und Fehler zu machen, um daraus schnell zu lernen

Das lernen wir nicht in der Schule oder in konventionellen Ausbildungs-Programmen. Dazu müssten wir unsere jahrelange Konditionierung auf Logik und Folgerichtigkeit zunächst einmal wieder verlernen bzw. uns bewusst machen, dass sie flächendeckend vorhanden ist.

Wenn Sie Ihr Unternehmen also zur Zukunftsfähigkeit transformieren möchten, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als einen höchst individuellen Transformationsprozess zu durchlaufen und durch leidenschaftliche Experimente die individuelle Art von „New Work“ zu erfinden, die zu Ihrer Organisation passt – mit allem was dazugehört. Es könnte hilfreich sein, sich dabei stets bewusst zu machen, dass dieser Übergang unbequem sein wird und dass Unbequemlichkeit auch Spaß machen und auf einer anderen Ebene nährend sein kann – wie eine Nacht am Lagerfeuer im Schlafsack.

Sie können natürlich auch versuchen, das zu kopieren, was andere bereits erfolgreich ausprobiert haben – Unternehmen wie Semco, GoreTex, Upstalboom, usw. Seien Sie sich aber immer bewusst, dass es sich dabei nicht um Patenrezepte oder Musterlösungen handelt, sondern lediglich um gelungene Experimente. Es hätte wahrscheinlich genauso gut in die Hose gehen können. Nur hätten wir dann wahrscheinlich nie davon gehört. Und selbst wenn es bei Semco funktioniert, heißt das noch nicht, dass es bei Ihnen funktionieren wird. Denn für die Erfindung einer nachhaltigen Zukunft auf diesem Planeten und der Zukunft der Arbeit gibt es (noch) keine Patentlösungen! Das, was wir aus diesen Beispielen aber allemal lernen können ist, dass etwas anderes wirklich möglich ist.

Viel Spaß beim Experimentieren und Erfinden!

Hierarchische Führung ist Teil eines unverantwortlichen Spiels

Hierarchische Führung ist Teil eines unverantwortlichen Spiels

In einer erwachsenen Arbeitswelt sind Chefs überflüssig

Vorab schon mal eine Warnung: dieser Artikel könnte etwas unbequem werden. Also wenn du es bequem magst, solltest du vielleicht nicht weiterlesen. Vor kurzem las ich einen Blog-Artikel mit dem Titel: „Warum flache Hierarchien nur die Fortsetzung des Holzweges sind“. In dem Artikel plädiert der Autor Niels Pfläging für eine dezentralisierte Organisation statt einer hierarchischen. Soweit so gut. In den Kommentaren zu dem Artikel fand ich dann eine interessante Aussage eines Lesers, der mitteilte, dass er bei der Diskussion mit Führungskräften zu diesem Thema immer wieder als Antwort bekäme, dass Menschen Führung brauchen und damit auch Hierarchie. Dieser Kommentar wiederum erfuhr sehr viel Zustimmung auch von anderen Lesern, die dieselbe Erfahrung gemacht hatten.

Auch ich habe diese These als Führungskräfte-Trainer in Unternehmen lange Zeit vertreten, ohne sie wirklich zu hinterfragen: „Menschen brauchen Führung“. Ist das wirklich so?

Mittlerweile bin ich zu der Ansicht gelangt, dass diese These nicht allgemeingültig ist, sondern nur in einem bestimmten Kontext zutrifft. Es gilt also nicht grundsätzlich „Menschen brauchen Führung“, sondern „Mitarbeiter in hierarchischen Strukturen scheinen Führung zu brauchen“. Im Kontext „Hierarchie“ ist diese These natürlicher Bestandteil des Systems. In einem nicht hierarchischen Kontext hingegen mache ich immer wieder genau die gegenteilige Erfahrung, nämlich dass Menschen keine Führung brauchen, um effektiv zusammenzuarbeiten. Aber wie kann das sein?

Ganz einfach: Hierarchische Systeme bilden die Basis für unverantwortliche und nicht erwachsene zwischenmenschliche Interaktion – sie sind die Grundlage eines unverantwortlichen Spiels, welches dafür sorgt, dass alle Mitspieler nicht erwachsen werden (müssen). Du denkst jetzt vielleicht: „Wie? Nicht erwachsen? Wir sind doch alle erwachsen!“ Naja, das stimmt nicht ganz. Wir sind vielleicht volljährig, aber nicht unbedingt erwachsen. Unsere Gesellschaft, die Art, wie wir aufwachsen und ausgebildet werden, stellt uns einen bewussten Übergang ins verantwortliche Erwachsensein leider nicht zur Verfügung. Und Hierarchie sieht auch gar nicht vor, dass Menschen erwachsen und eigenverantwortlich werden, denn dadurch würde sie sich selbst überflüssig machen! Für diejenigen, die von der Hierarchie profitieren, steht zu viel auf dem Spiel! Und wenn du jetzt denkst, dass nur die Reichen und Mächtigen von diesem Spiel profitieren, dann täuscht du dich gewaltig! Denn wenn wir nicht alle einen großen Nutzen aus diesem Spiel ziehen würden, hätten wir längst aufgehört es zu spielen. Haben wir aber nicht!

Hierarchie ist ein Spiel, bei dem ALLE Beteiligten nicht erwachsen werden (müssen)

Schauen wir uns erst einmal die Mitarbeiterseite an. Wenn Menschen zu mir ins Berufungs-Coaching kommen, dann frage ich sie immer, was sie motiviert zu arbeiten. Und in den meisten Fällen sind die TOP 2 Antworten:

  1. Anerkennung
  2. Sicherheit

Anerkennung und Sicherheit. Kommt dir das bekannt vor? Wenn ich meine Klienten frage, was sie unbedingt brauchen, also nicht was sie sich wünschen, sondern was unabdingbar für sie ist, sind es ebenfalls meist diese beiden Antworten: Anerkennung und Sicherheit. Das ist es, wofür die meisten Menschen arbeiten und wovon sie glauben, dass sie es mehr als alles andere brauchen. Und was ich jetzt sage, könnte wehtun. Wenn das die beiden Dinge sind, für die du arbeitest und von denen du glaubst, dass du sie am meisten brauchst, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du den Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein noch nicht vollzogen hast. Denn die eigene Berufung zu leben, was ein Zeichen für verantwortliches Erwachsensein ist, hat weder etwas mit Anerkennung, noch mit Sicherheit zu tun! Wenn das die beiden Dinge sind, für die du arbeitest, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du diesbezüglich noch in einem Kind-Ego-Zustand feststeckst. Und du befindest dich damit wahrscheinlich in bester Gesellschaft. Denn genau das passiert mit uns, wenn wir in der modernen westlichen Welt aufwachsen.

Denn als Kinder sind das genau die zwei Dinge, die wir vor allem anderen brauchen, um zu überleben: Sicherheit und Liebe in Form von Nahrung, Zuwendung, Wärme, Schutz, Zugehörigkeit usw. Ohne diese beiden Faktoren würden wir als Kinder nicht überleben! Deshalb passen wir uns während unserer Kindheit unseren Eltern – den Autoritäten in unserem Leben – so gut wie möglich an und entwickeln allerlei Überlebensmechanismen.

Im Alter von ca. 15 Jahren wären wir dann bereit, erwachsen zu werden und uns unsere Autorität von unseren Eltern zurückzuholen. Wir wären in der Lage, unsere eigene Autorität zu entwickeln und zu radikal verantwortlichen Erwachsenen zu werden, die nicht mehr im Außen nach Anerkennung und vermeintlicher Sicherheit suchen, sondern ihr Leben erfüllt und voller Neugier den unendlichen Möglichkeiten widmen, die jenseits von Sicherheit und Anerkennung auf uns warten. Stattdessen verbleiben wir unbewusst im Kind-Ego-Zustand des Überlebens und suchen weiterhin Halt im Außen – dann eben in Form eines „Ersatz-Papis“ oder einer „Ersatz-Mami“, die wir einfach auf unseren Chef projizieren.

Laut einer Studie ist der Vorgesetzte eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben eines Menschen und rangiert gleich nach dem Partner und der Familie. Kein Wunder, wenn wir die Elternrolle auf unseren Chef übertragen! Und unsere unverantwortliche Arbeitswelt mit hierarchisch organisierten Unternehmen, abhängiger Arbeit und einem vermeintlichen sozialen Sicherheitsnetz stellt genau das richtige Umfeld dafür zur Verfügung. Wir geben unsere Autorität und damit unsere Verantwortung an die Führungskraft und das Unternehmen ab, passen uns an, müssen keine Entscheidungen treffen und fühlen uns vermeintlich sicher – auch wenn unsere Seele hungert.

Hierarchie fördert unver- antwortliche Führungskräfte

Aber zu einem Spiel gehören ja bekanntlich immer zwei. Wie sieht es denn auf der anderen Seite der Interaktion aus? Auch die Führungskräfte in Hierarchien sind meist nicht wirklich erwachsen und verantwortlich – auch wenn Führung oft mit Verantwortung gleichgesetzt wird. Im Grunde handelt es sich dabei ebenfalls um Menschen, die immer noch im Außen nach Anerkennung und Sicherheit suchen. Nur dass sie das nicht über eine „Eltern-Projektion“ versuchen, sondern indem sie selbst die „Elternrolle“ einnehmen. Sie beziehen Anerkennung und Sicherheit aus ihrer Position als Führungskraft. Nicht selten wird diese Machtposition auch ausgenutzt.

Dafür ist es aber andererseits notwendig, dass ihre Mitarbeiter in der „Kind-Rolle“ bleiben und ihre Autorität an sie abgeben. Führungskräfte in Hierarchien wollen nicht wirklich, dass ihre Mitarbeiter erwachsen und selbstverantwortlich werden. Denn das würde die Gefahr beinhalten, dass sie an Respekt verlieren oder womöglich sogar an ihrem Stuhl gesägt wird. Denn in Hierarchien sind Führungspositionen Mangelware. Hierarchie ist ein Kontext, der auf Mangel, Konkurrenz und Wettbewerb basiert und somit ganz automatisch sogenannte Schattenprinzipien nährt und leicht zu Kampf, Krieg und niederem Drama führt. Hierarchie erzeugt Status – Hochstatus und Tiefstatus – und damit den Nährboden für das beliebte und unbewusste Spiel zwischen Täter, Retter und Opfer.

Deshalb trifft hier die These wirklich zu: in hierarchisch organisierten Systemen ist Führung notwendig. Und es führt zu bestimmten bekannten Resultaten in unserer Arbeitswelt und unserer Wirtschaftswelt.

Das Problem liegt allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Wenn wir also neue Resultate erzeugen wollen, kommen wir um diese Ebene nicht herum. Und wenn neue Ansätze, wie Selbstorganisation, New Work, Holacracy, etc. funktionieren sollen, dann ist es notwendig, dass unsere Arbeitswelt Schritt für Schritt erwachsen wird. Denn wenn wir einfach nur die Hierarchie auflösen und alles sich selbst überlassen, wir aber immer noch im „bedürftigen“ Kind-Ego-Zustand bleiben und nach Anerkennung und Sicherheit im außen streben, wird es voraussichtlich nicht funktionieren! Um eine neue Arbeitswelt zu gestalten, ist es notwendig auf allen Ebenen Veränderung voranzutreiben:

  1. Die Ebene der Beteiligten
    -> Persönlichkeitsentwicklung, Bewusstseinserweiterung, Initiation ins verantwortliche Erwachsensein
  2. Die Ebene der Werkzeuge
    -> Entwicklung neuer Vorgehensweisen, wie Meeting-Technologien, Kommunikationstools, etc.
  3. Die Ebene der Organisation
    -> Evolution der Organisationsform, wie z.B. galaktische Organisation, Netzwerk-Organisation, dezentrale Organisation, …
  4. Die Ebene des Kontexts
    -> Gesellschaftlicher und kultureller Paradigmenwechsel

Was bedeutet radikal verant- wortliches Erwachsensein?

Um dir ein Gefühl dafür zu geben, was radikal verantwortliches Erwachsensein bedeutet, würde ich gerne Evelin Rosenfeld aus ihrem Buch „Was dir wirklich wichtig ist“ zitieren:

Kompromisslose Eigenverantwortung

Kannst du dich mit der Haltung vollständiger Eigenverantwortung anfreunden?

Das bedeutet nicht nur, dass du aufhörst damit …

  • Erwartungen an deine Umwelt zu stellen,
  • Schuld zuzuweisen,
  • dich auf „das Schicksal“ oder deine Ohnmacht zu berufen.

Es bedeutet auch, dass du mit allem, was dir zur Verfügung steht, dafür sorgst

  • Klarheit über dich, dein Wesen und deine Möglichkeiten zu finden,
  • Umstände, die dir nicht gefallen, durch Positions- oder Haltungswechsel so zu verändern, dass sie dir entsprechen,
  • dir und den deinem Wesen innewohnenden Idealen treu zu bleiben

Es bedeutet, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und die Fülle deines Lebens zu entfalten.

Die These „Menschen brauchen Führung“, würde ich gerne umschreiben in …

Kinder brauchen Eltern, die ihnen Liebe und Sicherheit bieten, die mit ihnen sind, ihnen Grenzen setzen und für sie Raum halten, damit sie sich gemäß ihrem innewohnenden Potenzial entwickeln können.

Jugendliche brauchen Mentoren, die ihnen den Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein ermöglichen und sie auf diesem Weg begleiten.

Initiierte erwachsene Männer und Frauen brauchen keine Führung! Sie brauchen keine Autorität im Außen, denn sie sind ihre eigene Autorität. Sie brauchen ein Team von Gleichgesinnten auf Augenhöhe, um Ihre Vision zum Leben zu erwecken. Sie brauchen hin und wieder einen Mentor, einen Coach oder einen Raumhalter, der sie in ihrer eigenen Entwicklung unterstützt.

Erwachsene Organisationen brauchen keine Chefs und Führungskräfte. Es gibt dort initiierte erwachsene Männer und Frauen als Raumhalter, die inspiriert sind und sich in den Dienst der gemeinsamen Vision stellen. Im Gegensatz zur klassischen Führung halten Raumhalter den Raum auf eine Weise, dass alle Beteiligten gestärkt, genährt, zentriert und höchst inspiriert zum Wohle der gemeinsamen Vision selbstorganisiert zusammenwirken können.

Hört sich an wie ein Traum? JA. Und doch findet es schon statt!

Für eine neue Arbeitswelt!

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

In Zeiten schnellen Wandels kann Hierarchie und Controlling
zur Todesfalle für Unternehmen werden

Es ist eine interessante Zeit, in der wir uns gerade befinden. Das Umfeld, in das wir kulturell eingebettet sind, verändert sich mit wachsender Geschwindigkeit, während gleichzeitig die Komplexität des Geschehens zunimmt. Bedingungen also, mit denen jeder Einzelne aber auch Organisationen bisher nicht in diesem Maße konfrontiert waren. Wir stehen an einem Übergang von einem kulturellen Kontext zum nächsten. Der kulturelle Kontext aus dem wir uns gerade herausentwickeln ist das Patriarchat oder auch die „Herrschafts-Kultur“, wie Dr. Robert Gilman das auslaufende Zeitalter in seinem Vortrag „What time is it?“ nennt. Die Zeit eines solchen Übergangs ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass einerseits immer klarer wird, dass herkömmliche Denk- und Verhaltensweisen nicht mehr funktionieren, während gleichzeitig aber auch noch nicht absehbar ist, wie neue, besser funktionierende Möglichkeiten und Vorgehensweisen aussehen könnten.

Beschreibung: Bild1

(Quelle: What time is it?, Dr. Robert Gilman, www.context.org)

Typische Reaktionen in dieser Zeit des Übergangs sind Unsicherheit und Angst sowie Festhalten an Altbewährtem bis hin zur Verstärkung bisheriger Vorgehensweisen, in der Hoffnung dass dadurch der Wandel und der damit verbundene Schritt ins Unbekannte abgewendet werden kann. Die im Patriarchat traditionellen Vorgehensweisen in Organisationen sind: Hierarchie, Kontrolle und Produktivitätssteigerung. Deshalb reagieren viele Unternehmen derzeit auf den schnellen Wandel im Umfeld genau damit: mehr vom Altbekannten. Mehr Hierarchie, mehr Kontrolle, mehr Produktivitätssteigerung durch Kostensenkung, verbunden mit der Hoffnung, dass dadurch irgendwann wieder die früheren Erfolge zurückkehren. Dies könnte aber eine Strategie sein, die genau den gegenteiligen Effekt hat und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen enorm einschränkt oder sogar verhindert.

Controlling – wenn das Heilmittel krank macht

Zunächst habe ich eine Frage an Sie: würden Sie ein Durchfallmittel nehmen, wenn Sie an Verstopfung leiden? Ich nehme mal an, die Frage erübrigt sich, es sei denn, Sie wollen Ihre Beschwerden verstärken. Dennoch versuchen viele Unternehmen den derzeitigen Herausforderungen mit einem kontraindizierten Heilmittel zu begegnen, nämlich durch Verstärkung des Controllings. Controlling hat im Allgemeinen den Sinn, die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens zu sichern, was sicherlich seine Berechtigung hat. Als Reaktion auf ein sich immer schneller veränderndes Umfeld, d.h. um im übertragenen Sinne die Kontrolle über das sich ausbreitende Chaos der Veränderung zu behalten, ist es aber nicht gerade die beste Maßnahme, da es einige schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringt.

Ein Unternehmen ist ein in ein Umfeld eingebettetes System, vergleichbar mit einem Organismus oder einer Spezies. Um im Sinne der Evolutionstheorie zukunftsfähig zu bleiben, muss dieser Organismus die Fähigkeit besitzen, sich an die Veränderung seines Umfeldes bestmöglich anzupassen, da ansonsten die Gefahr für den Organismus oder die Spezies besteht, auszusterben. Darwin nannte dieses Phänomen „Survival Of The Fittest“ – was in der Vergangenheit übrigens sehr häufig falsch interpretiert wurde mit dem „Überleben des Stärkeren“. Die korrekte Interpretation liegt aber darin, dass nicht der Stärkere, sondern der Anpassungsfähigere überlebt. Sonst gäbe es die Dinosaurier vielleicht heute noch.

Wie bereits erwähnt, heißen die derzeitigen evolutionären Herausforderungen: schneller Wandel und steigende Komplexität. Um zukunftsfähig zu sein, müsste sich der Organismus „Unternehmen“ also in der Weise entwickeln, dass z.B. Entscheidungen schneller getroffen werden können und Vorgehensweisen präferiert werden, die der steigenden Komplexität Rechnung tragen. Ein stärkeres Controlling bewirkt allerdings genau das Gegenteil. Entscheidungswege werden länger und länger. Es werden Entscheidungsvorlagen über Entscheidungsvorlagen erstellt, die gelesen und geprüft werden müssen. In manchen Unternehmen ist es normal, dass Mitarbeiter am Freitagabend mit zwei Aktentaschen voller solcher Vorlagen in das Wochenende gehen. Die Entscheidung wird von einem Gremium zum nächsten weitergereicht, in der Hoffnung, das mit der Entscheidung verbundene Risiko so zu minimieren. Was stattdessen passiert ist: das Unternehmen wird langsam, während das Umfeld schneller wird.

Bürokratie und das Entstehen sogenannter „Bullshit-Jobs“

Weiterhin führt diese Art der Reaktion auf die Veränderungen dazu, dass die immer komplexer werdenden Projekte und Prozesse dokumentiert werden müssen, so dass die reine Dokumentation irgendwann überhandnimmt. Manager und Mitarbeiter ersticken in Bürokratie und Kontrollwahn und es entsteht ein immer größerer Druck. Die Komplexität gepaart mit der Kontrolle macht es irgendwann unmöglich, dass die Mitarbeiter noch in der vorgegebenen Zeit oder mit dem verfügbaren Budget auskommen können. Oftmals werden als Reaktion darauf neue Jobs und Stellen geschaffen, um der aufgeblähten Bürokratie Herr zu werden, sogenannte „Bullshit-Jobs“. Dies hat dann wiederum zu Folge, dass nicht mal mehr der ursprüngliche Zweck des Controllings – nämlich die Wirtschaftlichkeit – gewahrt bleibt.

Der steigende Druck, die Sinnentfremdung der Arbeit, die zeitliche Restriktion, etc. führen zu einem weiteren gerade aktuellen Phänomen, nämlich der Überforderung aller Beteiligten und zu entsprechend steigenden Burnout- und Krankheitsraten. Statt Zukunftsfähigkeit entsteht eine Negativspirale in den sicheren Untergang der Organisation.

Ein Paradigmenwechsel ist unumgänglich

Was wäre stattdessen notwendig? Wenn das Alte nicht mehr funktioniert, ist die Zeit reif für radikales Umdenken – und Angst ist dabei ein natürlicher Begleiter. Die Schnelligkeit und Komplexität erfordern Innovation, Experimentierfreude, Kreativität, Schnelles Lernen, kurze Entscheidungswege, Selbständigkeit und Verantwortungsübernahme usw. – und zwar nicht beschränkt auf die Führungs-Etage, sondern auf allen Ebenen. Diese Faktoren waren in den altbekannten hierarchischen Strukturen, aber nicht in diesem Ausmaß notwendig. Die Mitarbeiter sind daher im gegenwärtigen System oft nicht gewohnt, selbstständig zu denken, innovativ zu sein, Risiken einzugehen, Entscheidungen zu treffen und selbst Verantwortung zu übernehmen. Genauso wenig, wie auch die Führungskräfte es nicht gewohnt sind, all dies vollständig zuzulassen. Hierarchie unterliegt einem überholten Paradigma, welches lautet, dass „unterstellte“ Mitarbeiter von „überstellten“ Führungskräften geführt, gemanagt und kontrolliert werden müssen, damit alles funktioniert. „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ lautete die Maxime.

Hierarchische Führung ist ausgerichtet auf die wenigen „faulen Eier“

In den meisten Unternehmen herrscht kein Vertrauen darauf, dass Mitarbeiter selbstorganisiert und verantwortlich agieren würden, wenn sie keiner hierarchischen Führung unterliegen. Wenn wir nach Gauß von einer Normalverteilung ausgehen und diese auf ein Team oder die Belegschaft eines Unternehmens in Bezug auf die Bereitschaft, verantwortlich mitzuarbeiten, anwenden, ergäbe sich die bekannte Glockenkurve. Das bedeutet: in jedem Team, in jeder Gruppe gibt es nur einen kleinen Teil an Menschen (ca. 1 % bis max. 5 %), die im negativen Sinne aus der Reihe tanzen und in unserem Beispiel nicht verantwortlich mitarbeiten würden. Hierarchische Führung ist aber genau auf diese Minderheit der „faulen Eier“ ausgerichtet und übersieht dabei die Opportunitätskosten, die dadurch entstehen, dass das Potenzial der Mehrheit der Mitarbeiter dadurch unerschlossen bleibt. Im schlimmsten Falle erzeugt diese Art der Führung sogar Unverantwortlichkeit bzw. Resignation bei den Willigen. Hierarchische Führung verhindert, dass die Organisation und die Menschen in der Organisation erwachsen werden.

Die erste Frage, die sich Unternehmen und Organisationen in dieser Zeit des schnellen Wandels stellen müssen, lautet: sind wir wirklich bereit radikal umzudenken und einen Paradigmenwechsel vorzunehmen? Sind wir bereit, Vertrauen in völlig neue Wege, neue Möglichkeiten – jenseits von Controlling und Hierarchie – und vor allem auch Vertrauen in die Menschen zu haben, die Teil der Organisation sind? Wenn Ihre Antwort JA ist, dann kann für Sie und Ihre Organisation eine interessante Zeit des Forschens beginnen.

„Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser.“ Viel Freude beim Experimentieren!

Der Kontext bestimmt, was möglich ist

Der Kontext bestimmt, was möglich ist

Warum neue Management- oder Führungsmethoden oft unwirksam sind

Viele Unternehmen und Organisationen stehen im Moment an einem Punkt, an dem die gewohnten Vorgehensweisen, die in der Vergangenheit vielleicht ganz gut funktioniert haben, auf einmal nicht mehr dieselben Ergebnisse produzieren. Die Welt verändert sich gerade rasend schnell und Unternehmen und Organisationen hinken oft hinterher, weil sie nicht schnell genug auf diese Veränderungen reagieren können. Und vielleicht haben Sie in Ihrer Organisation auch schon viel an Neuem ausprobiert und dazu Trainings und Change-Prozesse durchlaufen – aber so richtig viel geändert hat sich dadurch nicht? Doch woran liegt das?

Eine in der Regel wenig berücksichtigte, aber sehr massive Einflussgröße ist der sogenannte Kontext. Der Kontext ist das Umfeld, in welches ein System eingebettet ist. Das System verhält sich entsprechend der Einflüsse des Kontexts. Der Kontext bestimmt somit typische Verhaltensmuster im System. Er verleiht den Einzelteilen eines Systems so auch einen bestimmten Sinnzusammenhang. So kann die gleiche Sache in unterschiedlichen Kontexten, eine unterschiedliche Bedeutung haben.

Ein Beispiel aus der Natur ist das Öko-System Wald. Dieses System wird von bestimmten Faktoren beeinflusst, die den Kontext darstellen, in den das System eingebettet ist. Kontextgrößen wären in diesem Fall z.B. die Bodenbeschaffenheit, die Wasserqualität oder das Klima. Ein Wald im nordwestlichen Europa sieht entsprechend dem vorherrschenden Kontext völlig anders aus, als beispielsweise ein Wald in Südostasien.

Zusammenhang von System und Kontext, Dr. Robert Gilman (Quelle: Vortrag “What time is it?”, Dr. Robert Gilman)

Würden wir nun versuchen, unseren nordwestlichen Wald in einen südostasiatischen Regenwald zu verwandeln, würde uns der hier vorherrschende Kontext schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Der Kontext ließe diese Veränderung nicht zu und die Pflanzen würden einfach absterben. Im Gegensatz dazu können wir beobachten, dass im Zuge des aktuellen Klimawandels, der quasi eine „ungewollte“ Änderung des Kontexts darstellt, es Pflanzen aus völlig fremden Erdteilen auf einmal gelingt, sich in nordwestlichen Breitengraden anzusiedeln. Der Kontext bestimmt also, was in einem System möglich ist und was nicht.

Das gleiche gilt für einen kulturellen bzw. ideellen Kontext. Unser System „Gesellschaft“ ist eingebettet in einen herrschenden kulturellen Kontext. Das Problem ist, dass uns dieser kulturelle Kontext meist nicht bewusst ist, da die Einflussgrößen eines kulturellen Kontexts nicht aus physisch messbaren Faktoren, wie Bodenbeschaffenheit, Wasser oder Klima bestehen, sondern ideeller Natur sind, d.h. aus Annahmen, Unterscheidungen, Regeln und Paradigmen bestehen, die als gegeben betrachtet und in der Regel lange Zeit nicht mehr hinterfragt werden. Es handelt sich dabei um eine bestimmte Art der Weltanschauung oder eine geltende Lehrmeinung.

Eine Organisation oder ein Unternehmen ist ebenfalls ein System, welches in einen ideellen Kontext eingebettet ist. In Bezug auf Unternehmen in der westlichen modernen Welt könnte dieser noch herrschende Kontext als „durch Sozialgesetze entschärfter patriarchaler Kapitalismus“ beschrieben werden. Dieser Kontext beinhaltet ganz bestimmte Regeln und Annahmen, die wiederum zu typischen Vorgehensweisen im System führen. Vorrangiges Ziel unternehmerischen Handelns in diesem Kontext ist es, Gewinne zu erzielen und dazu Marktanteile auszubauen.

Typische Annahmen, Paradigmen und Verhaltensweisen in diesem Kontext sind z.B.:

  • Konkurrenz und Wettbewerb sind förderlich und beleben das Geschäft
  • Es geht um Gewinnen oder Verlieren (von Ressourcen, Marktanteilen, Status …) – der Stärkere gewinnt
  • Der Markt wird reguliert durch Angebot und Nachfrage
  • Menschliche Arbeit ist eine quantifizierbare Ressource (human resources), die verwaltet werden muss
  • Hierarchien sind notwendig, um effektiv Ziele zu erreichen
  • Menschen in Organisationen müssen geführt, motiviert und kontrolliert werden, damit sie funktionieren

Das Ergebnis des wirtschaftlichen Handelns das auf diesem Kontext basiert, lässt sich an der derzeitigen Verfassung unseres Planeten ablesen, wie auch an den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten. Was in der Vergangenheit gut funktioniert zu haben scheint, entpuppt sich angesichts der aktuellen globalen Entwicklungen als sicherer Weg in den kollektiven Untergang.

Tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen sind deshalb notwendig, um diesen eingeschlagenen Weg zu verlassen – Prinzipien wie Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und CSR (Corporate Social Responsibility) werden notwendig. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der kulturelle Kontext sich selbst schützt, d.h. für den derzeitigen kapitalistischen und wachstumsorientierten Kontext sind nur jene Veränderungen akzeptabel, die den derzeit gültigen Paradigmen entsprechen. Veränderungen, die jedoch darüber hinausgehen und diese Paradigmen außer Kraft setzen würden, rufen automatisch Gegenkräfte hervor, um den bestehenden Kontext zu schützen. Wenn Sie also neue, bahnbrechende Ideen oder Vorgehensweisen haben und Sie versuchen, diese im alten Kontext anzuwenden, dann ist das Scheitern der Durchsetzung sozusagen vorprogrammiert. Der bisherige Kontext ist nicht darauf ausgelegt, neue Vorgehensweisen zuzulassen.

Wenn Unternehmen also z.B. ihre Mitarbeiter zu mehr Engagement, Selbstverantwortung und Initiative bringen wollen und ihnen dazu Schulungen und Trainings zur Verfügung stellen, im Unternehmen aber noch dieselben hierarchischen Pyramiden-Strukturen herrschen, die ursprünglich dazu entworfen waren, um Mitarbeiter auf Linie zu halten, dann bietet der Kontext einfach keinen Nährboden für diese Veränderung. Wenn Unternehmen z.B. die Gewaltfreie Kommunikation als Werkzeug einführen, damit die Unternehmenskommunikation intern und extern beziehungsfördernder wird, im Unternehmen aber noch das Paradigma von Wettbewerb und Konkurrenz herrscht, raten Sie mal, was dann mit dem neuen Kommunikationsmodell passiert! Wenn Unternehmen den Lean Management Ansatz einführen, mit der vordergründigen Absicht, die Hierarchien zu verschlanken und Mitarbeiter mehr zu beteiligen, dahinter aber die versteckte Absicht liegt, Kosten zu senken und wieder mehr Gewinne zu machen, wird die Veränderung keine nachhaltigen Ergebnisse zutage fördern.

Es wäre also zunächst notwendig, den vorherrschenden kulturellen Kontext zu verändern, in den das Unternehmen oder die Organisation eingebettet ist. Das kann bedeuten, dass Sie sich des vorherrschenden Kontexts zunächst erst einmal bewusst werden müssen. Dazu können Fragen hilfreich sein, wie:

  • Was ist unsere Absicht als Unternehmen/Organisation? Und was ist die vielleicht dahinter liegende Absicht?
  • Warum sind unsere Strukturen so wie sie gerade sind? Wer hat sie gemacht und warum? Welcher Absicht dienen diese Strukturen? Was ermöglichen sie – was verhindern sie?
  • Wie definieren wir Führung und wie wird diese gelebt? Warum führen wir genau in dieser Weise? Wer hat diese Art der Führung eingeführt und warum? Welcher Absicht dient diese Art der Führung? Was ermöglicht sie – was verhindert sie?
  • Wie sehen wir die Welt/den Markt in der/dem wir uns bewegen? Woran glauben wir diesbezüglich? Von welchen Grundannahmen gehen wir aus? Wozu führen diese Grundannahmen?

Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen und Organisationen kein Bewusstsein darüber haben und die o.g. Fragen zunächst nicht beantworten können. Der Kontext wurde nicht bewusst deklariert und ist somit unbewusst entstanden oder übernommen worden. Strukturen sind oftmals einfach unbewusst gewachsen – und zwar auf dem Nährboden, den die Beteiligten durch Gesellschaft, Erziehung, Bildung etc. als gültige Lehrmeinung zur Verfügung gestellt bekommen haben.

Das Bewusstmachen des vorherrschenden Kontexts in einem Unternehmen oder einer Organisation ist ein erster Schritt der Transformation von einer unbewussten und dadurch unverantwortlichen Organisation zu einer bewussten, verantwortlichen und damit erwachsenen Organisation, die verantwortlichen Absichten dient. Nachdem der vorherrschende Kontext bewusst gemacht wurde, kann er in einem nächsten Schritt dann ganz bewusst neu gesetzt werden. Getreu dem Motto: welchen kulturellen/ideellen Kontext wollen wir in dieser Organisation gemeinsam wählen? Erst wenn der Kontext bewusst und klar deklariert wurde, ist der Boden bereitet für entsprechende bewusste Veränderungen. Bevor Sie also mit neuen Methoden Ihre Organisation/Ihr Unternehmen optimieren wollen, lohnt es sich den Kontext zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Denn der Kontext bestimmt, was möglich ist!

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