
Die dunkle Seite von radikaler Verantwortung
Radikale Verantwortung braucht Bewusstheit
Possibility Management (PM) – die Spielwelt, in der ich seit fast 20 Jahren zuhause bin – basiert auf dem Kontext von radikaler Verantwortung. Eine der wichtigsten Unterscheidungen, die wir im PM diesbezüglich nutzen, ist die Landkarte von Kultur und Verantwortung.

In dieser Landkarte werden verschiedene Ebenen von Verantwortung sichtbar gemacht – von unverantwortlich über den kindlichen zum erwachsenen und hohen Grad von Verantwortung, bis hin zur radikalen Verantwortung. Wenn wir eine Gauß’sche Normalverteilung in Bezug auf die Anzahl der Menschen in unserer aktuellen, modernen, westlichen Kultur darüberlegen würden, käme es zu dem in der Landkarte gezeigten Bild.
Unsere aktuelle moderne Kultur basiert immer noch größtenteils auf einem kindlichen bis jugendlichen Grad von Verantwortung. Unsere Gesellschaftssysteme sind auf ein Spiel zwischen Eltern-Rollenspielern und Kind-Rollenspielern ausgerichtet. In der Kind-Rolle geben wir unsere Autorität und Verantwortung an „Vater Staat“ ab und hoffen, dass er gut für uns sorgt. Oder wir ordnen uns als Angestellter der Autorität von Vorgesetzten unter und profitieren von monatlichen Gehaltszahlungen und der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, um uns sicher zu fühlen. Diese Kultur ist nicht nachhaltig. Und es entstehen gleichzeitig parallele Kulturen, weil immer mehr Menschen bereit sind, einen höheren Grad von Verantwortung zu übernehmen.
Radikale Verantwortung bedeutet in diesem Zusammenhang, unausweichlich für das Maß an Verantwortung verantwortlich zu sein, das in jeder Spielwelt und jedem Raum übernommen wird. Ich bin die Quelle.
Es ist ein hehres Ziel, in absoluter radikaler Verantwortung leben zu wollen. Und es gleicht ein wenig dem Anspruch auf Perfektion. Ist Perfektion wirklich erreichbar bzw. erstrebenswert? Und hier kommen wir dann zum Kern des Pudels. Perfektion als Ziel ist so lange nützlich, solange wir sie nicht erreichen. So hält sie uns lebendig und im Wandel und sorgt für Qualität und Integrität. Denn was würde passieren, wenn wir Perfektion erreichen? Dann wären wir fertig – 100 % – perfekt – dann gäbe es nichts mehr zu entdecken, zu lernen, zu entwickeln, etc. Lebendigkeit adé. Mit radikaler Verantwortung ist das ähnlich.
Radikale Verantwortung bewusst als Grundsatz für das eigene Handeln zu wählen, ist der Schlüssel, um aus der Rolle des Opfers in die Rolle des Schöpfers zu wechseln. Ich erschaffe selbst die Welt, die ich mir wünsche. Ich warte nicht darauf, dass andere es tun. Ich tue mich zusammen mit Gleichgesinnten und erschaffe eine parallele Kultur. So kann kultureller Wandel hin zu mehr Verantwortung und damit mehr Nachhaltigkeit entstehen.
Und wie immer gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Denn genau wie der Anspruch auf Perfektion die Gefahr beinhaltet, unbewusst in Perfektionismus (ein Schattenprinzip) zu verfallen, gibt es auch eine dunkle Seite von radikaler Verantwortung. Du kannst dir vorstellen, dass die Skala im oben gezeigten Bild nicht zweidimensional, sondern dreidimensional ist und die radikale Verantwortung direkt wieder in die Ebene ganz zu Beginn der Skala, nämlich in „Unverantwortlichkeit“ übergeht. An diesem Punkt mündet radikale Verantwortung nämlich schnell in Radikalismus, Dogmatismus, Besserwisserei, bis hin zu Fanatismus.
Damit das nicht passiert, braucht es aber eine Menge an Bewusstheit und Wachheit, wenn ich in radikaler Verantwortung leben will. Und damit Bewusstheit wachsen kann, braucht es sogenannte „Matrix“. Mit Matrix bezeichnen wir im Possibility Management das innere Gerüst, an dem Bewusstheit wachsen kann – wie ein Spalier, das das Wachstum eines Rosenstrauches unterstützt, so dass er aufwärts in seine volle Blüte hineinwachsen kann. Der Aufbau von Matrix und damit das Wachstum von Bewusstheit und Wachheit geht aber nicht von heute auf morgen. Und: der Rosenstrauch braucht nicht nur das Spalier. Um in seine volle Pracht zu wachsen, braucht er fruchtbare Erde, Sonne, Wärme, Wasser und Pflege. Und ab und zu muss er auch mal gestutzt werden.
Der Vorsatz, möglichst schnell möglichst viel Matrix aufzubauen, um in radikaler Verantwortung zu leben, erinnert dabei an die Vorgehensweise der konventionellen Landwirtschaft: so wie viel Dünger und der Einsatz von Pestiziden vielleicht kurzfristig schnelles Wachstum fördern, ist aber auch diese Vorgehensweise nicht nachhaltig. Und sie ist unverantwortlich, denn sie führt über kurz oder lang zu Ausbeutung und zum Zusammenbruch des Ökosystems. Im Gegensatz dazu berücksichtigt organisches Wachstum Zyklen und individuelle Entwicklungs-Geschwindigkeiten.
Wenn du also auf deinem Entwicklungsweg hin zu einem höheren Grad an Verantwortung bis hin zu radikaler Verantwortung bist und möglichst schnell an dein Ziel kommen willst, sei dir darüber bewusst, dass der Grat zwischen radikal verantwortlich und unverantwortlich schmal ist. Wo bist du vielleicht schon dogmatisch unterwegs? Inwieweit hast du deine ursprüngliche Box vielleicht einfach gegen eine PM-Box getauscht, so dass du wieder keine Wahl hast? Welchen Regeln und Autoritäten im PM-Kontext folgst du vielleicht (blind)? Inwieweit hast du vielleicht deine eigene Lebendigkeit auf dem Altar von „radikaler Verantwortung“ geopfert?
Herzlich, Patrizia
Emotional Empowerment = Possibility Management mit Herz ❤